CIA-Mitarbeiter plaudert aus dem Wahlcomputer-Nähkästchen

"Wo immer bei einer Wahl Computer ins Spiel kommen und aus einem Votum Elektronen werden, ergibt sich für hinterhältige Akteure die Möglichkeit, üble Sachen anzurichten", erklärte ein CIA-Mitarbeiter der US-amerikanischen Election Assistance Commission.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Wahlcomputer beschäftigen nicht nur IT-Experten, Datenschützer, Politiker und Verfassungsrechtler – auch Geheimdienste wie die Central Intelligence Agency (CIA) der USA werfen offenbar ein Auge darauf, ob bei Wahlen mit elektronischer Unterstützung alles mit rechten Dingen zu geht: Bei einer Anhörung vor der U.S. Election Assistance Commission (EAC) in Orlando (Florida) erklärte ein Cybersecurity-Experte der CIA zuletzt, dass seine Organisation Unregelmäßigkeiten bei Wahlen in Venezuela, Mazedonien und in der Ukraine registriert habe. Steve Stigall, schreibt die Seattle Times, habe den EAC-Mitgliedern insbesondere von vermeintlichen Auffälligkeiten in Venezuela berichtet, das seit 1999 von Hugo Chávez regiert wird, dem die frühere US-Regierung wiederholt Unterstützung des internationalen Terrorismus vorgeworfen hat.

Chávez, führte der CIA-Mann aus, habe im Vorfeld der per Referendum erzwungenen Volksabstimmung über eine Amtsenthebung des Präsidenten im Jahr 2004 die Kontrolle über sämtliche 19.000 Wahlmaschinen im Land gehabt. Nach der Wahl, die Chávez mit fast 60 Prozent klar für sich entscheiden konnte und der internationale Wahlbeobachter – darunter auch der frühere US-Präsident Jimmy Carter – einen einwandfreien Verlauf bescheinigten, hätten einheimische Wissenschaftler das Ergebnis angezweifelt, weil Chávez vor allem dort gut abschnitt, wo er eigentlich wenig Unterstützung hatte. Mathematiker entdeckten laut Stigall einen "sehr raffinierten Algorithmus", der beweisen sollte, dass das Ergebnis zugunsten des Präsidenten manipuliert wurde. Als "Zocker" habe Chávez dann zugestimmt, dass Papierausdrucke von 100 Wahlmaschinen nachträglich kontrolliert werden.

Dass dabei aber keine Fehler festgestellt wurden, erklärt Stigall laut der Zeitung damit, dass Chávez für die "zufällige Auswahl" der zu überprüfenden Wahlmaschinen ein Computerprogramm zur Verfügung stellen ließ, das nur solche Maschinen berücksichtigte, bei denen er nichts zu befürchten hatte. Belege für Stigalls Behauptungen gibt es aber wohl nicht, vielmehr zitiert die Seattle Times den CIA-Mitarbeiter wiederholt mit den Worten "in meinem Verständnis ist das so und so abgelaufen". Die Mitglieder der Election Assistance Commission dürften aber dennoch aufmerksam zugehört haben, denn geliefert wurden die Wahlcomputer von der Smartmatic Corporation, die von 2005 bis 2007 Besitzerin der US-Firma Sequoia Voting Systems war, deren Wahlcomputer bislang in 16 US-Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington eingesetzt wurden.

Stigall legte unterdessen Wert auf die Feststellung, dass er nicht für die CIA spreche, sondern dass er in Anlehnung an den Slogan "Folge dem Geld" dem Ruf der Wählerstimmen folge. "Wo immer bei einer Wahl Computer ins Spiel kommen und aus einem Votum Elektronen werden", sagt Stigall, "gibt es für hinterhältige Akteure die Möglichkeit, üble Sachen anzurichten." So hätten etwa Unterstützer des Moskau-treuen Kandidaten Wiktor Janukowytsch bei der Präsidentschaftswahl in der Ukraine im Jahr 2004 heimlich "einen nicht autorisierten Computer" in der Wahlleitungszentrale platziert. Aufgedeckt hätten dies abgehörte Telefonate, mit dem Ergebnis, dass die Wahl vom Obersten Gerichtshof in Kiew später für ungültig erklärt und eine Wiederholung angeordnet wurde. Diese verlor Janukowytsch dann gegen seinen Konkurrenten Wiktor Juschtschenko.

Aus Mazedonien wusste Stigall von einem "Wähler-Genozid" zu berichten. Dort habe man Mitglieder der albanischen Minderheit kurzerhand per Delete-Befehl aus den digitalen Wählerlisten gelöscht. Anders herum gingen hingegen Hacker in Georgien vor: Sie fügten den Wählerlisten Namen von Personen hinzu, die teilweise bereits im 18. Jahrhundert verstorben waren. Russland lobte der CIA-Mann, weil Wahlergebnisse dort über geschützte TK-Leitungen transferiert würden. Auch würden Hacker aufgefordert, die eingesetzten Wahlmaschinen auf Sicherheitslücken hin zu testen. Während in den USA bei der letzten Präsidentschaftswahl noch über 30 Prozent der Stimmen an Wahlcomputern abgegeben wurden, sind die Zeiten des Blackbox-Voting in Deutschland vorbei: Anfang März entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der Einsatz der bei der Bundestagswahl 2005 verwendeten Nedap-Geräte verfassungswidrig war. Der Bundeswahlgeräteverordnung attestierten die Karlsruher Richter Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz. (pmz)