Abgeordnete der Linken fordern Aufklärung über Europols Datensammlung

Mit einer Kleinen Anfrage wollen die Oppositionspolitiker Auskunft über die neuen "Arbeitsdateien zu Analysezwecken" der europäischen Polizeibehörde erhalten. Sie befürchten rassistische Diskriminierung und geheimdienstliches Verhalten.

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Von
  • Ulrike Heitmüller

Die Umstrukturierung der Arbeitsdateien zu Analysezwecken (Analysis Work Files, AWF) bei der EU-Polizeiagentur Europol, über die heise online am 21. Januar 2014 berichtete, ist Thema einer Kleinen Anfrage der Linken im Bundestag. Sie kann demnächst online abgerufen werden. [Update: Die Kleine Anfrage ist nun auf den Bundestagsservern verfügbar.]

Ausgangspunkt für die Anfrage ist das von der Bürgerrechtsorganisation Statewatch ins Netz gestellte, nicht öffentliche Europol-Dokument "The New AWF Concept (NAC). Guide for MS and Third Parties" (PDF-Dokument). Sie beschäftigt sich vor allem mit vier Aspekten des Europol-Konzepts:

Erstens, dass die Polizei-Agentur ähnlich wie ein Geheimdienst arbeite. Dabei geht es darum, dass neue Target Groups (TGs) "criminal investigations" und "criminal intelligence operations" durchführen. In der Anfrage heißt es dazu: "Durch die Sammlung von Informationen bevor überhaupt Straftaten begangen werden verschafft sich Europol jedoch aus Sicht der Fragesteller/innen quasi-geheimdienstliche Fähigkeiten."

Zweitens sehen die Linken-Politiker in der Sammlung einiger Informationen eine rassistische Diskriminierung. Dabei geht es um "Angaben zu 'rassischer oder ethnischer Herkunft'[...]. Als Beispiele schreibt Europol von Cannabis-Anbau, der demnach häufig 'Vietnamesen/Chinesen' zugeschrieben werden könnte. Das Gleiche gelte für 'Marokkaner, Pakistani, Afghanen, Kurden/Türken'. Die Fragesteller/innen sehen in der Praxis eine rassistische Diskriminierung und setzen sich dafür ein, die Kategorien aus Datensammlungen deutscher Behörden sowie EU-Agenturen zu verbannen."

Damit zusammenhängend geht es um die Personengruppen, zu denen die Behörde Daten sammelt. Das Europol-Dokument zählt mehrere auf, definiert sie aber nicht näher. Das wäre jedoch vor allem beim Erheben sensibler Informationen wichtig: Dazu gehören Rasse oder ethnische Herkunft sowie politische Ansichten, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftsmitgliedschaften, Gesundheit oder Sexualleben. Derlei Informationen können gemäß dem Europol-Konzept zu Verurteilten, Verdächtigen und potenziellen Kriminellen angegeben werden, wenn eine "strikte Notwendigkeit" für den Zweck des "Focal Point" besteht. Dieser "Brennpunkt" ist ein Bereich innerhalb eines AWF, der sich unter dem Gesichtspunkt Ware, Thema oder Region auf ein Thema konzentriert.

Bei Kontakten, Verbündeten, Zeugen und Opfern muss es für das Datensammeln zusätzlich spezifische Gründe geben. Die Daten sollen zwar vernichtet werden, wenn sie für den jeweiligen Zweck "nicht mehr nötig" sind. Aber diese Formulierung ist einigermaßen schwammig. Noch schwammiger wird es, wenn es darum geht, wessen Daten gespeichert werden dürfen: Ausdrücke wie "potenzielle Kriminelle" sind zumindest im geleakten Europol-Dokument nicht definiert. Es steht zu befürchten, dass in den Datenbanken Europols Datensätze zu Personen ohne zufriedenstellende datenschutzrechtliche Grundlage und vielleicht auch ohne kriminalistische Notwendigkeit gespeichert werden. Deshalb wollen die Abgeordneten wissen, wie "diese Personengruppen 'Verdächtige', 'mögliche Kriminelle', 'Kontakte' und 'Verbündete' innerhalb der 'Arbeitsdateien zu Analysezwecken' beziehungsweise 'Focal Points' oder 'Target Groups' definiert" sind.

Viertens hinterfragen sie die Datenpolitik als solche: Sie erkundigen sich nach der Möglichkeit zu übergreifenden Suchen und Kreuztreffern, Anwendungen zum Data-Mining oder "Wissensmanagement", und über welche Funktionen die Systeme verfügt. Andrej Hunko, Federführer der Fragesteller, sagte dazu: "Die Linksfraktion lehnt einen Ausbau des polizeilichen Datenapparats ab. Das Gleiche gilt für die Fähigkeit zur gleichzeitigen Abfrage mehrerer Informationssysteme. Diese digitale Rasterfahndung ist zwar in Deutschland untersagt. Die Polizeiagentur Europol bewirbt dieses Data Mining jedoch als Besonderheit und bietet ihre Dienste den EU-Mitgliedstaaten an."

Dieser Kritikpunkt greift frühere Kleine Anfragen auf, und zwar zum Thema Europol und internationaler Datentausch (PDF-Dokument) sowie zu Automatisierter Strafverfolgung, Data Mining und sogenannter erweiterter Nutzung von Daten in polizeilichen Informationssystemen (PDF-Dokument). Die damaligen Antworten der Bundesregierung waren nicht sehr genau. (ck)