Ein Linksystem für zwei Welten

Start-ups und Online-Konzerne arbeiten an Deep-Linking-Systemen, um Apps untereinander und mit Webinhalten zu verknüpfen. So soll das Werbegeschäft App- und Webgrenzen überspringen.

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Von
  • Tom Simonite

Start-ups und Online-Konzerne arbeiten an Deep-Linking-Systemen, um Apps untereinander und mit Webinhalten zu verknüpfen. So soll das Werbegeschäft App- und Webgrenzen überspringen.

Am Anfang war das Web: Ein üppiges Dickicht aus digitalen Dokumenten, die durch Hyperlinks miteinander verbunden waren. Die brachten Blogs und Geschäfte zum Blühen und zugleich Firmen wie Google Milliarden an Einnahmen durch Anzeigenvermarktung ein. Doch nun trocknet das Dickicht langsam aus – Nutzer verbringen immer mehr Online-Zeit mit Apps, kleinen Containern, in den digitale Inhalte abgeschottet von anderen abgelegt sind. Und aus denen kaum Hyperlinks führen.

Das ist nicht nur für die ursprüngliche Idee des Webs als gigantischer Hypertext schlecht. Auch das Anzeigenbusiness hat erkannt, dass die Welt der App-Separees für das Werbegeschäft noch nicht optimal ist. Deshalb sind einige Start-ups und Branchenriesen wie Google und Facebook dabei, den Hyperlink noch einmal neu zu erfinden. Diesmal soll er den Nutzer nicht von einem Webdokument zum nächsten bringen, sondern von einer App direkt in eine andere App.

„So etwas müsste ein wesentlicher Baustein für mobile Apps werden, so wie URLs es für das Web sind“, sagt Sriram Krishnan, Produktmanager bei Facebook. App-Verlinkungen – auch „Deep Linking“ genannt – würden die Mauern zwischen den kleinen Mobilanwendungen einreißen.

Apple und Google haben die Grundlagen für das Deep Linking bereits in ihre Mobilbetriebssysteme iOS und Android eingebaut. Entwickler können in Analogie zur klassischen URL bereits Links setzen wie “iOSApp://location/123456”, die zu anderen Sektionen innerhalb der App führen. Die Entwickler-Gemeinde hat die Möglichkeit bislang eher zögerlich angenommen. Das lag auch daran, dass die Technologie auf den verschiedenen Plattformen nicht genau gleich funktioniert.

Nun soll das Konzept ausgeweitet und die Anwendung des Deep Linking einfacher werden. Besonders Facebook und Twitter dürften zur Verbreitung des Konzepts beitragen. Twitter fügte bereits im April 2013 eine Unterstützung für Deep Links hinzu, mit denen Firmen ihre mit anderen Medien angereicherten Tweets ergänzen können. Deep Links sind auch in bezahlten Werbetweets möglich.

Facebook ermöglicht bereits 2012 Deep Links in den Veröffentlichungen auf Pinnwänden. Im Oktober 2013 begann das soziale Netzwerk dann, Anzeigenplätze zu verkaufen, die mit Deep Links arbeiten. Firmen können ihre Anzeigen auf die Likes eines Facebook-Nutzers zuschneiden und diesen dann mit einem Deep Link direkt in eine mobile App hinein schicken.

Ein Beispiel: Eine App für Konzertkarten zeigt Fans der Band U2 auf Facebook Anzeigen für ein Konzert der irischen Rock-Dinosaurier. Die Anzeige innerhalb von Facebook ist über einen Deep Link mit der Ticket-App verbunden. „Auf diese Weise gibt es einen Anlass, eine bereits installierte App auch wirklich zu nutzen“, sagt Krishnan. Unternehmen hätten sich bislang darauf konzentriert, Nutzer dazu zu bewegen, eine App zu installieren. Nun gehe es darum, über diese Apps auch regelmäßige Umsätze zu generieren.

Zwar haben Smartphone- und Tabletnutzer in den letzten Jahre viele Milliarden Mal Apps heruntergeladen. Das heißt aber nicht, dass es sich auch um treue Kunden handelt. Laut einer Studie geben zwei Drittel aller Nutzer, die eine App installieren, deren Nutzung nach drei Monaten wieder auf.

„Der Markt hat sich so geändert, dass sich Unternehmen darum kümmern müssen, den Wert ihrer Nutzer zu erhöhen“, sagt John Milinovich, CEO und Mitgründer von URX, einem der neuen Deep-Linking-Start-ups. URX bietet eine kostenlose Software an, mit deren Hilfe App-Entwickler Deep Links in die Anwendungen einbauen können. Geld verdient Milinovichs Firma mit der Verkauf von maßgeschneiderten Anzeigen, die in anderen Apps platziert werden und per Deep Link zur Anwendung des Anzeigenkunden zurückführen.

URX indexiert sämtliche verlinkbaren Bereiche einer App und entscheidet dann, welcher als Ziel für einen Anzeigen-Deep-Link am besten zu einem bestimmten Nutzer passt. Anzeigen lassen sich im Mobilgeschäft besonders genau personalisieren, weil die Aktionen der Nutzer mit den ID-Nummern ihrer Geräte verknüpft werden können. „Dieser Ansatz bringt mehr Umsatz aus Anzeigen und mehr Umsatz pro Nutzer“, sagt Milinovich. Das hat wohl auch Yahoo mitbekommen und den URX-Konkurrenten Sparq, ein weiteres Start-up aus dem Deep-Linking-Bereich, übernommen.

Die Auswirkungen von Deep Links würden aber über das Anzeigengeschäft hinausgehen, glaubt Liron Shapira von Quixey, die App-Suchen anbietet. Mit Deep Links bekomme die App-Welt einen Teil jener Offenheit, die das Web auszeichnet. „Wir haben eine umfassendere Vision, wie sich das Web entwickelt und ausbreitet, in all die verschiedenen Geräteklassen hinein, sagt Shapira.

Quixey hat ein Software-Protokoll namens AppURL entwickelt, das herkömmliche URLs im Web und Deep Links in mobilen Apps zu einer Art von Link verbindet. Schickt jemand einen AppURL-Link, beispielsweise zu einem Kochrezept bei Yummly, lässt sich der sowohl in einem Webbrowser als auch in der Yummly-App öffnen. „Damit korrigieren wir ein schlechtes Design, dass zu einer Trennung zwischen Apps und der Online-Version eines Produkts geführt hat“, sagt Shapira. 31 populäre Apps unterstützen bislang AppURL, und einige Unternehmen unterstützen die Technologie aktiv.

Ein weiterer Vorteil der Technologie ist, dass damit Apps für Nutzer genauso durchsuchbar werden wie Webseiten. Denn die Suchmaschinen können sowohl AppURLs indexieren als auch herkömmliche Web-URLs. Selbst Google interessiert sich inzwischen für die Technologie und ermuntert Unternehmen, Webinhalte mit Deep Links zu den entsprechenden App-Inhalten zu versehen.

(nbo)