Streit über Internet für Vorschulkinder

Auf einer Fachtagung in Frankfurt am Main prallten Expertenmeinungen darüber aufeinander, ob Internetnutzung für Vorschulkinder sinnvoll ist.

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Von
  • Ira Schaible
  • dpa

Tanzendes Gemüse singt im Kühlschrank "Esst mich", die Teletubbies zeichnen einen Kreis und die Maus lädt mit dem Elefanten zu Geschicklichkeitsspielen: Im Internet finden sich längst auch Angebote für Vorschulkinder, doch über deren Sinn streitet die Fachwelt. Medienforscher Roland Rosenstock plädiert für ein nicht-kommerzielles Internet-Einstiegsportal für Vier- bis Sechsjährige und ihre Mütter. Es müsse nach medienpädagogischen und entwicklungsfördernden Gesichtspunkten gestaltet und von der Bundesregierung finanziell gefördert werden, sagte der Professor von der Universität Greifswald heute auf einer Fachtagung zum Thema "Internet für Vorschulkinder – Chance oder Schaden?" in Frankfurt am Main. "Kinder und ihre Eltern müssen wissen, was es im Internet gibt." Sie dürften dabei nicht alleingelassen werden.

Rosenstock schwebt ein Portal für Vorschulkinder und ihre Mütter etwa nach dem Vorbild des britischen Senders BBC vor. "Das Spielen im Internet ist eine Primärerfahrung mit der Mutter zusammen." Das Internet sei aktiver als der Fernseher und biete mehr Möglichkeiten als ein Brettspiel. Wichtig sei es, über das gemeinsam im Netz erlebte zu sprechen. Ein Fünftel der Vorschulkinder habe Studien zufolge regelmäßig Kontakt zu Computern. In den Grundschulen werde von den Kindern erwartet, dass sie damit und mit dem Internet umgehen könnten, sagte Rosenstock.

Neurobiologe Prof. Henning Scheich aus Magdeburg warnt dagegen vor den Folgen des Internets auf Vorschulkinder. "Wir wissen gar nicht, was die virtuelle Realität im Gehirn anrichtet." Tierversuche belegten eindeutig, dass das bloße Anschauen von Erfahrungen zu Entwicklungsstörungen führe. Das Internet habe zwar eine interaktive Komponente, diese sei aber viel eingeschränkter als die Wirklichkeit. Die Entscheidungen über ein Menü mit Alternativen hemmten die Kreativität. "Das Medium ist außerdem potenziell suchtgefährdend." Die Ursachen dafür seien zwar noch nicht genau erforscht, es stelle sich aber die Frage: "Wie wirkt das auf kleine Kinder?"

Der Erfurter Erziehungswissenschaftler Prof. Burkhard Fuhs betonte, diese Diskussion polarisiere die Wissenschaft weltweit. So gebe es in den USA einen Experten-Streit: Die einen glaubten, die Technik beeinflusse auch bei jungen Kindern die kognitive und sozial-emotionale Entwicklung positiv. Die anderen seien überzeugt, dass sie viele grundlegende Kindheitserfahrungen raube und irreparable Schäden verursache. Eine Bildungsperspektive, die beide Pole zusammenbringe, fehle.

Christine Feil vom Deutschen Jugendinstitut in München sieht das pragmatischer: "Es geht um Inhalte, nicht ums Medium und um die Frage, ob diese Inhalte für Kinder aufbereitet sind oder nicht." Als Beispiele stellte sie Sprachübungen, Hörschulungen und Memorys vor. Fuhs entgegnete: "Das heutige Internet als Erwachsenen-Technik ist in keiner Weise für junge Kinder geeignet." Zum Beleg führte er das Fahrrad an: Kleinkinder könnten auch damit erst mit vier bis sechs Jahren etwas anfangen und seien zuvor mit einem Roller oder einem Laufrad viel besser bedient. (Ira Schaible, dpa) / (anw)