EU-Innenpolitiker gegen Sicherheitsgarantie für NSA-Whistleblower Snowden

Der Innenausschuss des EU-Parlaments hat seine Empfehlungen für Konsequenzen aus der NSA-Affäre festgezurrt. Ein spezieller Schutz für den Whistleblower Edward Snowden vor strafrechtlicher Verfolgung oder Auslieferung gehört nicht dazu.

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Der Innenausschuss des EU-Parlaments tagte: Zwar will das Parlament Konsequenzen aus der NSA-Affäre ziehen, besonderer Schutz für Edward Snowden gehört aber nicht dazu.

Die Innenpolitiker des EU-Parlaments haben am Mittwoch den Berichtsentwurf für Reaktionen auf den Geheimdienstskandal beschlossen. Mit einer Mehrheit von 33 zu 7 Stimmen bei 17 Enthaltungen wurde der Bericht des federführenden Abgeordneten Claude Moraes (Labour) im Innenausschuss des Parlaments mit einigen Änderungen verabschiedet. Dem Plenum wird damit unter anderem nahegelegt, entscheidende Teile des transatlantischen Safe-Harbour-Abkommens auszusetzen. Damit könnten Firmen, die personenbezogene Informationen über EU-Bürger sammeln, diese nicht mehr ohne weiteres an US-Niederlassungen übermitteln.

Nicht durchsetzen konnten sich die Grünen mit einer Initiative für eine besondere Sicherheitsgarantie für den NSA-Whistleblower Edward Snowden, der mit seinen Dokumenten über die umfassende Netzspionage die Affäre ins Rollen gebracht hat. Über ihren Änderungsantrag 182 wollten sie die Mitgliedsstaaten dazu aufrufen, "etwaig bestehende strafrechtliche Vorwürfe" gegen den Enthüller fallen zu lassen. Zudem warben die Grünen dafür, Snowden einen Sonderstatus als "Informant und international agierenden Menschenrechtsaktivisten" zuzusprechen und ihn "vor strafrechtlicher Verfolgung, Ausweisung und Auslieferung durch Drittparteien" zu schützen.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Der Vorstoß verfehlte die erforderliche Mehrheit, da die Sozialdemokraten geteilter Meinung darüber waren. Hinter diesem "Skandal" vermutet der grüne Innenexperte Jan Philipp Albrecht die Strategie, die Konservativen nicht verschrecken zu wollen. Diese hätten sich letztlich aber in der Gesamtabstimmung zum überarbeiteten Bericht enthalten. Die Grünen wollen den Antrag nun fürs abschließende Votum im Plenum im März noch einmal aufsetzen in der Hoffnung, bis dahin einen Gesinnungswandel bei Sozialdemokraten erzielen zu können.

Laut Albrecht ist eine Garantie für Snowden auch die Voraussetzung dafür, dass eine echte Befragung Snowdens in Untersuchungsgremien europäischer Parlamente möglich ist. Die Mitglieder des Innenausschusses wollen den Whistleblower, der derzeit befristetes Asyl in Russland genießt, noch anhören im Lauf der nächsten vier Wochen. Die genauen Umstände sind aber noch offen.

Dem Berichtsentwurf nach sollen die Pressefreiheit und Whistleblower in der EU allgemein genauso besser geschützt werden wie die Vertraulichkeit der Kommunikation der Bürger. Die Volksvertreter streben auch eine Strategie zur IT-Unabhängigkeit an. Pauschale Massenüberwachungen durch Geheimdienste hinterfragen sie insbesondere in ihrer Nützlichkeit im Krieg gegen den Terror, generelle Geheimdienstbefugnisse sollen überprüft werden. Die Formulierungen sind in diesem Bereich aber vielfach abgetönt worden im Vergleich zum stärkeren Bericht von Moraes.

Eine erneute Aufforderung an die EU-Kommission, den Vertrag zum Transfer von Finanzdaten des Netzwerks SWIFT aufzukündigen, enthält die Kompromissfassung nicht mehr. Die Kommission hatte bereits angekündigt, dass man diesem Appell nicht folgen werde. Auch bei der Safe-Harbour-Übereinkunft setzt die Kommission zunächst auf Verbesserungsvorschläge durch Washington.

Die Innenpolitiker unterstreichen, dass die Privatsphäre "kein Luxusgut ist, sondern der Grundstein einer freien und demokratischen Gesellschaft". Die laufenden Verhandlungen über eine Freihandelsabkommen mit den USA sehen sie "gefährdet", solange die Massenüberwachung und die gezielte Bespitzelung von EU-Einrichtungen und diplomatischen Vertretungen nicht gänzlich gestoppt wird und es keine Lösung zur Durchsetzung der Datenschutzrechte von EU-Bürgern einschließlich von Klagemöglichkeiten in den USA gibt.

Albrecht zeigte sich gegenüber heise online mit dem Großteil der Appelle zufrieden. Damit einher gehe die Botschaft an die Regierungen der Mitgliedsstaaten und die Kommission, nun im Sinne der Empfehlungen tätig zu werden. Abgerechnet werde sonst spätestens an den Wahlurnen im Mai. Der CDU-Abgeordnete Axel Voss warf den linksorientierten Fraktionen dagegen vor, einen "Personenkult" zu betreiben. Sie seien besorgter um den Schutz von Edward Snowden als um den ihrer eigenen Bürger. Die SPD-Parlamentarierin Birgit Sippel unterstrich, dass die Mitgliedstaaten nun "auch Partnern klare Kante zeigen müssen bei Bürgerrechten". (jk)