Streit um Wikipedia-Bilder

Mit Abmahnungen und Rechnungen versucht eine Nutzerin der Online-Enzyklopädie Wikipedia, gegen die vermeintlich lizenzwidrige Weiternutzung von Wikipedia-Inhalten vorzugehen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 446 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Mit Abmahnungen und Rechnungen versucht eine Nutzerin der Online-Enzyklopädie Wikipedia, gegen die vermeintlich lizenzwidrige Weiternutzung von Wikipedia-Inhalten vorzugehen. Der Fall sorgt für erbitterten Streit in der Community und offenbart die Grenzfälle bei der Anwendung freier Lizenzen.

Der Stuttgarter Netzaktivist Alvar Freude bekam Anfang April unerwünschte Post. Die Wikipedia-Nutzerin Martina Nolte hatte ihm eine Abmahnung mit einer Rechnung über 1400 Euro geschickt. Der Vorwurf: Freude habe mit seinem Projekt Web-Blaster gegen das Urheberrecht verstoßen, da auf der Webseite die Bilder der Fotografin insgesamt 70 Mal abrufen ließen. Sollte sich Freude weigern den Betrag zu zahlen und eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben, stellte die Absenderin einen Rechtsstreit mit einem Gegenstandswert von 420.000 Euro in Aussicht, der alleine Anwaltskosten in Höhe von 30.000 Euro verursachen würde.

In dem folgenden Schriftwechsel zwischen Freudes Anwalt Thomas Stadler und Nolte beharren beide Seiten auf ihrem Standpunkt. Nolte leitet ihre Ansprüche aus der Creative-Commons-Lizenz CC-BY-SA her. Auf den Bildbeschreibungsseiten ihrer hochgeladenen Bilder hatte Nolte sehr spezifische Vorgaben gemacht. So forderte sie die Nennung ihres Namens und der verwendeten Lizenz bei jeder Veröffentlichung ihrer Bilder. Stadler wendet ein, dass der Web-Blaster die Wikipedia-Inhalte nicht öffentlich zugänglich mache. Das nicht kommerzielle Angebot fungiere eher wie ein alternativer Web-Browser, bei dem beliebige Webseiten mit Links zu dem Kunstprojekt Assoziations-Blaster versehen werden. Darüber hinaus habe Nolte die Bilder selbst in Wikipedia eingebunden, obwohl dort die von ihr geforderten Autoren-Nennungen fehlen.

Gegenüber heise online gibt Nolte an, dass sie nicht auf die Zahlung des vollen Betrags, aber auf die Abgabe einer Unterlassungserklärung besteht. Die Wikipedia-Autorin engagiert sich seit Jahren gegen die lizenzwidrige Nutzung von Wikipedia-Inhalten. "Manche Betreiber hatten seit ein, teilweise zwei Jahren auf freundliche Hinweise mit rein informativem Charakter nicht reagiert. Meine jetzige Methode ist unschön, aber wirksam, denn die Kosten werden enorm, sobald ich einen Anwalt einschalte." Besonders die Betreiber von so genannten Live-Mirrors sind Nolte ein Dorn im Auge. Diese Webseiten binden Wikipedia-Inhalte ein, ohne jedoch eigene Kopien vorzuhalten, was zu hohen Traffic-Belastungen auf den Servern der Wikimedia Foundation führt. Die entstehenden Kosten fehlten für andere Projekte, glaubt Nolte.

Insgesamt habe Nolte insgesamt neun Betreiber von Webseiten kontaktiert, erklärte die Wikipedianerin: "Bis auf eine Ausnahme haben die bisher von mir angeschriebenen Betreiber nach Eingang meiner Vorab-Mail ihr fehlerhaftes Import-Skript oft innerhalb von Minuten abgeschaltet, mir eine Unterlassungserklärung geschickt und dann die finanzielle Frage vom Tisch bugsiert." Freude verweigere eine Abgabe einer solchen Erklärung.

Innerhalb der Wikipedia weitet sich der Streit mittlerweile in eine Schlammschlacht aus, in der sich Befürworter und Gegner der Abmahnung gegenseitig Vandalismus vorwerfen. Die Bilder von Nolte wurden von einem Wikimedia-Administrator zwischenzeitlich aus der Wikipedia gelöscht, da die von Nolte eingeforderten Lizenzvermerke im Gegensatz zu den Zielen der Wikipedia stünden. In den Wikipedia-Artikeln sind Lizenz und Autorenvermerk von Bildern nicht direkt in den Bildunterschriften eingebunden, was schon zu längeren Streitigkeiten innerhalb der Community geführt hat.

Der Verein Wikimedia Deutschland ist mit dem Vorgehen nicht glücklich: "Erklärtes Ziel der Wikimedia-Projekte ist die Verbreitung der Inhalte, um sie allen Menschen auf der Welt zugänglich zu machen. Die Weiternutzung durch Dritte wird aktiv von uns gefördert", heißt es in einer heise online vorliegenden Stellungnahme. Selbstverständlich sei es nachvollziehbar, dass ein Fotograf seine Rechte wahren möchte. "Leider sind die Nachnutzungsbedingungen gerade für Personen, die sich mit dem Thema bisher noch nicht auseinandergesetzt haben, oft sehr kompliziert. So führen Ahnungs- und Sorglosigkeit häufig dazu, dass nicht sämtliche Vorgaben eingehalten werden." Dennoch setze man auf den Dialog mit Rechteverletzern und nicht auf eine Bestrafung.

Die Lizenzpolitik ist innerhalb der Wikipedia seit Jahren ein zentrales Politikum. In den kommenden Tagen soll die Abstimmung über eine neue Lizenzpolitik beginnen. Der Vorschlag sieht vor, alle Inhalte in Zukunft nicht nur unter der sehr sperrigen GNU Free Documentation Licence (GFDL), sondern der sehr viel moderneren Creative Commons-Lizenz zur Verfügung zu stellen. (Torsten Kleinz) / (hob)