4W

Was war. Was wird.

Zwischen UFO-Sichtungen und Erinnerungen an einen Sonnenstaat verirrt sich mancher leicht, befürchtet Hal Faber, da hilft auch eine Theorie des Fremdschämens nicht wirklich. Derweil, auf der Krim...

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 41 Kommentare lesen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Breaking News? Breaking News! Nur hier beim Heiseticker gibt es beste frische Breaking News über gesichtete UFOs über der Nordsee, neueste Telefone über Barcelona und anstehende Patchdays bei Microsoft. Beste, harte News, die nichts mit diesem UFO zu tun haben, das der Visionator Frank Schätzing über Jerusalem gesichtet hat. Kluge Köpfe in immer dünner werdenen Zeitungen wegen der Optimierung des Herstellungsprozesses in der Druckerei preisen sein neues Werk als "großen Wurf" und mäkeln allenfalls über die Vermarktungsstrategie, deren Teil sie sind. Tja, so ist das mit den Nachrichten, immer brechen sie über uns herein und dann heißt es so schnell reagieren wie weiland Elmar Theveßen bei der Nachricht von einem Amoklauf in Norwegen: "Al Qaida. Alles andere wäre zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation." Das gilt auch für diese Krim-Besetzung.

*** Nun versorgen uns die Zeitungen nicht nur mit Breaking News, sondern auch mit Tipps und Tricks rund um den gepflegten Digital-Haushalt. Es hat schon etwas Rührendes, wenn ein einstmals scharf denkender Intellektueller 10 Regeln zum digitalen Widerstand verbreitet, die in ihrer Naivität die politischen Appelle vom Kampf gegen den technologischen Totalitarismus mit seinen eingeschlagenen Pflöcken locker unterbietet. Die Regeln lesen sich wie aus dem Baukasten zu einer Theorie des Fremdschämens. Es fängt an, mit der Aufforderung, die Mobiltelefone wegzuwerfen und der Erkenntniss, dass überall dort wo etwas kostenlos zu haben ist, der Datenkörper verkauft wird. Weg vom Online-Banking, zurück zum Bargeld, weg vom bösen, bösen FAZ-Abo, dessen Rechnungen übrigens nur noch als supergefährliche PDF-Dateien per Strompost (so Enzensbergers Übersetzung von E-Mail als electric Mail) verschickt werden. Bitte auch sofort Schluss machen mit dieser Anschlepparbeit von Paketdiensten, wo es doch Geschäfte um die Ecke gibt. Alle Vorschläge zeigen, wie abgeklärt weit entfernt von unserem modernen Alltag ein Mensch leben kann, der den glänzenden Text vom Sonnenstaat des Doktor Herold verfasste, vor 35 Jahren. Noch die beste Regel hat etwas Altmodisches, glaubt sie doch an die Wirkungsmacht der Stimmabgabe bei der Wahl von Politikern: "Solange das Wahlrecht noch existiert, sollte man ihnen die Stimmen verweigern, wenn sie die digitale Enteignung dulden, statt gegen sie vorzugehen."

*** Die Enzensbergerschen Regeln sollen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Auftakt zu einer Serie darstellen, in der sich Geisteswissenschaftler mit dem Netzdingenskrams beschäftigen. Das muss man positiv sehen, nach all den morozovitischen Heissluftgebläsen, die mangels eigener Reflexionsfähigkeiten Unverdautes aus dem Maschinenraum in das Blatt für kluge Köpfe pusteten. Vielleicht gibt es ja noch schöne Texte wie die Gedanken von Zygmunt Baumann über die moderne flüchtige Überwachung, die bei uns unter dem völlig abstrusen Titel "Daten, Drohnen, Disziplin" veröffentlicht wurde. Natürlich gibt es auch eine Schattenseite. Ein Blatt für kluge Köpfe, die sich Gedanken über das urwüchsig Digitale machen wollen, die die eigenen Netz-Aktivitäten aber selbst als Schnorrerausgabe bezeichnen, zeigt ehrlich, wie schnurzpiepegal das Thema eigentlich ist. Da macht man lieber aus der schlichten Tatsache, dass alle Geheimdienste dieser Welt HUMINT-Methoden der Kompromittierung kennen, die furchtbare Angst draus, wie Menschen mit Hilfe des Netzes vernichtet werden. Das sind natürlich immer nur die anderen, die in sozialen Netzwerken leben. Wie heißt das noch bei Enzensberger: "Der Schlaf der Vernunft wird bis zu dem Tag anhalten, an dem eine Mehrheit der Einwohner unseres Landes am eigenen Leib erfährt, was ihnen widerfahren ist." Wie bei der Vorsorge-Privatspeicherung, äh private Vorsorgespeicherung, oder war es die vorprivate Speichersorge? Vernunfts-Vorrat-Vorsorge wäre auch nicht schlecht, zumal das Speichern doch soo flüchtig ist.

*** In bemerkenswerter Dreifaltigkeit gab es in dieser Woche einen Spielfilm, einen Freispruch und den kompletten Text einer Mailbox-Aufsage zum "inverstigativen Journalismus". Alles geklärt, alles paletti, alles heiße Luft und das Bobby-Car war silbern? Gab es für dieses superduperpuper-Beispiel der "besten investigativen Leistung des Jahres" den Henri Nannen-Preis für die furchtlosesten der Furchtlosen?

*** Eigentlich könnte nun der Aushilfs-Hausmeister wieder gehen. Alles dazu gesagt? Aber nicht doch! Da hat doch eine Abgeordnete einstmals ihren Highheel hochgehalten: weil sie dem Amt des Bundespräsidenten an sich Respekt zollt. Wo beginnt das eigentlich, dieses Respekt zollen ob der Würde eines Amtes? Beim Präsidenten aufwärtes, bei Politikern im Parlament, bei Kandidaten und Kandidatinnen einer Europawahl ohne Prozentschranken. Auch eine Frage des Respektes ist es, dass man um Entschuldigung bittet.

*** Hach, hoppla, da ist ja noch ein Buch aufgeschlagen, zwar nur als E-Book, aber dafür von einem Economist-Journalisten. The Snowden Operation will den Beweis führen, dass Edward Snowden von Anfang an nichts anderes war als ein Spion oder eine Marionette der Russen. Gut, kann man behaupten, vor allem, wenn es darum geht, vom NSA-Skandal abzulenken. Der zentrale Beweis ist übrigens ein Foto, das Edward Snowden zeigen soll. Die Werbung auf dem Einkaufswagen gehört angeblich zu einem Einkaufszentrum, das 3 Kilometer vom Hauptquartier des russischen Geheimdienstes entfernt ist. Die Folgerungen sind weitreichend: Der Autor, der nach eigenen Angaben seit 30 Jahren die östlichen Dienste verfolgt, kommt zum Schluss, dass auch Glenn Greenwald, Laura Poitras und Jacob Appelbaum Geheimdienstler sind. Letzterer war sogar einmal auf Hawaii, als Snowden noch in Hawaii an seiner Datensammlung saß. Ein knallharter Beweis. Da passt es auch, wenn US-Medien Greenwalds Geldgeber Pierre Omidyar angreifen, dessen Stiftung (die nichts mit dem neuen Medienhaus zu tun hat) Geld an eine Initiative in der Ukraine schickte. Und was schickt denn Russland da in die Krim? Drohnen oder Drohungen, das ist die Frage.

Was wird

Was war das doch für eine tolle Idee mit dem No-Spy-Abkommen, über die sogar der Bundestag ganz angeregt diskutierte, als längst klar war, dass so ein Abkommen niemals von den USA unterzeichnet wird. Nun konstatiert der neue alte Außenminister, dass es in den USA ein anderes Verständnis von Freiheit und Sicherheit gibt. Dort hat man die frischen Erinnerungen an "9/11", hier sind es nicht mehr ganz so frische an die Stasi und schon müffelnde an die Gestapo, das weist auf eine große Inkompatibilität hin. So hat denn das Auswärtige Amt eine nette Aktion gestartet, Außenpolitik Weiter Denken, komplett mit Infoklappe im Internet und Beteiligung der Zivilgesellschaft, irgendwann: "Das Projekt ist bewusst darauf angelegt, einen breiten Dialog mit Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft zu ermöglichen, um Anstöße und Einsichten jenseits der innerministeriellen Diskussion zu gewinnen. Unsere Fähigkeit, außenpolitisch wirkungsvoll zu handeln, hängt entscheidend davon ab, dass wir hier in Deutschland Verständnis finden für den Wert und für die Instrumente der Diplomatie. Es geht um Sinn, Ziel und Instrumente außenpolitischen Handels heute." Es wäre nicht schlecht, wenn ein anderes Verständnis von Außenpolitik entsteht, gerade jetzt, wo man mit den üblichen Floskeln außerordentlich besorgt Öl ins Feuer gießt und die kleine Wochenschau mit einem einigermaßen informativen Live-Link enden muss. (jk)