Energie aus Vibrationen: Smartphones laden ohne Steckdose

Geschicktes Löchern eines piezoelektrischen Kunststoffs macht diesen zum flachen Nanogenerator, der sich auch in Handys integrieren lässt

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Von
  • Dörte Saße

Die poröse Struktur, links als Schemazeichnung, sorgt bei Vibration für die gemessenen Ausschläge auf dem Oszillator. Rechts der Versuchsaufbau.

(Bild: Xudong Wang)

Der poröse Dünnfilm ähnelt unter dem Rasterelektronenmikroskop einem Schwamm.

(Bild: Xudong Wang)

Auf der Rückseite eines typischen Smartphones brachten die Forscher für die Messungen vier parallel geschaltete Dünnfilm-Nanogeneratoren an.

(Bild: Xudong Wang)

Je mehr Fähigkeiten moderne Smartphones haben, desto mehr Energie verbrauchen sie und desto schneller leeren sie ihre Akkus. Die Lösung könnten neue Batteriekonzepte bringen – oder gleich eine mobile Stromversorgung an Bord des Geräts. Auf diesem Weg sind nun Forscher aus den USA und China einen großen Schritt voran gekommen: Sie entwickelten einen papierdünnen Nanogenerator, der aus den Vibrationen der Umgebung elektrischen Strom generiert. Dazu genügen offenbar bereits schwache Schwingungen, wie sie etwa entstehen, wenn das Gerät auf einem Autositz liegt. Nutzbar seien aber auch stärkere Bewegungen, wie sie etwa beim Herumtragen entstehen, schrieb das Team kürzlich im Fachblatt „Advanced Energy Materials“.

"Wir sehen diese Entwicklung als eine neue Lösung für selbstladende persönliche Elektronik", sagt Xudong Wang, Materialforscher an der University of Wisconsin-Madison. Zwar gibt es heute bereits andere piezoelektrische Nanogeneratoren, die Energie aus Schallwellen oder anderen mechanischen Verformungen ziehen. Sie benötigen aber vergleichsweise große Flächen und liefern sehr wenig Strom. Dieser genügt aber immerhin, um Leuchtdioden, UV-Sensoren oder ähnliches zu betreiben. Wangs Team jedoch strebt ein Energie-autonomes Smartphone an und hat dafür ein ganz neues Material entwickelt. Dessen Basis ist der Kunststoff Polyvinylidenfluorid (PVDF), wegen seiner hohen Ausbeute gerne eingesetzt, um mittels piezoelektrischer Effekte – über Druck und Verformung – elektrischen Strom zu erzeugen. Im Normalzustand ist er aber nicht empfindlich genug, um auch auf schwache Vibrationen zu reagieren.

„Je weicher das Material, desto empfindlicher ist es für feine Schwingungen“, sagt Wang – deshalb schuf er mit seinen Kollegen der University of Minnesota Duluth und der chinesischen Sun-Yat-sen-Universität eine Schwamm-ähnliche Struktur voller Löcher. Dafür mischten die Forscher einen Anteil von 50 Prozent winziger Zinkoxid-Teilchen in den flüssigen Kunststoff. Nach dessen Aushärten ätzten sie die Nanopartikel mithilfe von Salzsäure wieder heraus. Der zurückbleibende Dünnfilm stellt ein sogenanntes mesoporöses Material dar, das durch seine vielen Löcher auch deutlich an Stabilität verloren hat. Das war das Ziel des Teams: Schon schwache Vibrationen verformen nun das Material, sodass wie erwartet mikroskopisch kleine Dipole entstehen und sich die gewünschte elektrische Spannung aufbaut.

Auf beiden Seiten mit dünnen Kupferfolien als Elektroden versehen, wird dieser Dünnfilm zum Nanogenerator. Die weichere Struktur des neuen Materials ermöglicht das Anbringen auf gerundeten oder rauen Oberflächen und sogar auf menschlicher Haut. Der Prototyp lieferte bei Vibrationen von 40 Hertz Peakwerte von 11 Volt und 9,8 Mikroampere, konstant über längere Zeit. Einen passenden Kondensator lud er bei 60 Hertz in rund einer Minute auf 2,4 Volt auf. Wird ihr Nanogenerator in ein Smartphone integriert, so die Forscher, dann verstärkt dessen Masse noch die Verformung und damit die Energieausbeute.

Bis zur Marktreife dürften noch einige Jahre ins Land gehen. Allerdings lässt sich der recht simple Herstellungsprozess offenbar gut auf einen industriellen Maßstab anpassen. Die Innenstruktur des Materials soll sich dabei gezielt variieren lassen, berichtet Wang. Für einen verbreiteten Einsatz bietet PVDF neben seiner guten piezoelektrischen Effizienz weitere Vorteile: Es ist mechanisch und chemisch sehr stabil und obendrein biokompatibel. So kann es auch innerhalb biologischer Systeme arbeiten – theoretisch sogar innerhalb des Körpers. (uma)