Pirate Bay: Berufung gegen "bizarres Urteil"

Ein Jahr Haft und Schadensersatz: Mit dem Urteil gegen vier Verantwortliche des Torrent-Trackers ist das letzte Wort im Disput zwischen Filesharern und Medienindustrie noch nicht gesprochen. Die Piraten gehen gegen das "bizarre" Urteil in Berufung.

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Die erste Runde geht an den schwedischen Staat und die Medienindustrie: Vier Männer, zwischen 24 und 48 Jahre alt, werden für ihre Verbindung mit dem berühmt-berüchtigten Torrent-Tracker The Pirate Bay zur Verantwortung gezogen. Ein Gericht in Stockholm verurteilte die vier am heutigen Freitag zu jeweils einem Jahr Haft und Schadensersatz in Höhe von insgesamt 2,75 Millionen Euro. Während bei internationalen Medienunternehmen die Sektkorken knallen, nehmen es die verurteilten Piraten ziemlich locker. Sie wollen auf jeden Fall in Berufung gehen.

Verurteilt wurden die Vier wegen Beihilfe zu schweren Urheberrechtsverletzungen. Mit dem Betrieb des Torrent-Trackers hätten sie die Verstöße Dritter befördert, befand die urteilende Kammer des Stockholmer Bezirksgerichts, die aus einem Richter und drei Schöffen besteht. Durch die Website mit "gut entwickelten Suchfunktionen" und einem verbundenen Tracker hätten die Angeklagten zu den "von Filesharern begangenen Straftaten angestiftet", teilte das Gericht zur Begründung des Urteils (PDF-Datei) mit. Die Haftstrafe gab es wegen der Größenordnung der Verstöße und der Ansicht des Gerichts, The Pirate Bay sei wohlorganisiert und kommerziell orientiert.

"Das ist wie bei Karate Kid", sagt Peter Sunde. Den ersten Kampf verliert man, doch am Schluss folgt das Happy-End. Der Dreißigjährige nimmt das Urteil ziemlich locker, aber durchaus ernst. "Es ist ziemlich bizarr, dass wir überhaupt verurteilt wurden". Sunde ist so etwas wie der Pressesprecher der Pirate Bay, einer Organisation, die es eigentlich nicht gibt. Auch deshalb findet er das Urteil zum Lachen: Dass ausgerechnet die nach seinen Angaben nur lose verbandelten Piraten organisierte Kriminelle sein sollen.

Sunde und seine Mitangeklagten Fredrik Neij (30), Gottfrid Svartholm (24) und Carl Lundström (48) können es auch noch locker nehmen. Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass allzu bald die Handschellen klicken. Beide Seiten, die Piraten und die Medienindustrie, werden das Verfahren durch alle Instanzen bringen. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil kann es noch eine Weile dauern. Die Piratenbucht wird also vorerst nicht trockengelegt.

Für die Gegenseite ist die Verurteilung ein echtes Erfolgserlebnis in ihrem bisher wenig erfolgreichen Kampf gegen die Website. Vor allem hoffen sie, dass der Richterspruch richtungsweisend sein wird. "Das Urteil gegen die Betreiber von The Pirate Bay hat eine wichtige Signalwirkung", meint Stefan Michalk vom Bundesverband Musikindustrie. "Es stellt klar, dass das Betreiben einer Internettauschbörse mit überwiegend illegalen Inhalten nichts mit Seeräuberromantik zu tun hat."

Auch andere Offizielle der deutschen Kulturszene sind entzückt. "Ich freue mich für alle Urheber, Kreativen und die, die Sorge tragen, dass deren Inhalte verbreitet werden", kommentiert der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder. Für den Deutschen Kulturrat ist das Urteil ein "Etappensieg zur Sicherung der Rechte von Urhebern und anderen Rechteinhabern". Dass der Kulturrat den Torrent-Tracker dabei als "Einbruchswerkzeug" bezeichnet, ist symptomatisch für die in dieser hitzig geführten Debatte verbreitete Unkenntnis technischer Zusammenhänge.

Dabei spielen die eine zentrale Rolle. Ein Argument der Verteidigung ist, dass The Pirate Bay die Dateien nicht selbst hostet, sondern nur den Austausch vermittelt. Eine solche Vermittlung genieße das gleiche rechtliche Privileg wie das der Zugangsanbieter, die nicht für Verstöße ihrer Kunden haftbar gemacht werden können. Deshalb ist auch Verteidiger Per Samuelsson überzeugt, dass der Richterspruch keinen Bestand haben wird. Der Jurist, der den umstrittenen Unternehmer Carl Lundström vertritt, spricht von "politischem Druck", der wohl auf das Gericht ausgeübt worden sei. Für Sunde ist das Verfahren ein "politischer Prozess".

The Pirate Bay ist durchaus ein Politikum – nicht nur für die schwedische Piratenpartei, die in dem Schuldspruch ihr Ticket ins Europaparlament sieht. Es geht um die Frage, wie mit Schutzrechten in Zeiten der digitalen Vervielfältigung umzugehen ist, wie die Interessen der Urheber und Rechteinhaber mit denen der Nutzer abgewogen werden können. Zu dieser Debatte leisten die schwedischen Piraten ihren Beitrag. "Wir wollen, dass die Politik die Sache viel ernster nimmt", sagt Sunde. Die ganze Rhetorik kann aber ein Kernproblem der Pirate Bay nicht schönreden: Über die Plattform wird urheberrechtlich geschütztes Material in enormem Umfang illegal getauscht.

Siehe dazu auch:

(vbr)