EU-Konservative wollen für Snowden keine Sicherheitsgarantie abgeben

Sprecher der Europäischen Volkspartei und der rechtskonservativen Fraktion haben einen Änderungsantrag zum NSA-Untersuchungsberichts des EU-Parlaments, der Edward Snowden Schutz gewähren soll, als "irrational" abgetan.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 67 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Brite Claude Moraes hat den Bericht erstellt.

(Bild: © European Union 2014 )

In der abschließenden Debatte über den Bericht des Europäischen Parlaments zu Konsequenzen aus dem NSA-Skandal waren am Dienstag weniger dessen Kernempfehlungen umstritten als vielmehr mögliche Ergänzungen. Größter Stein des Anstoßes war ein Änderungsvorschlag der Grünen, wonach EU-Mitgliedsstaaten eine Sicherheitsgarantie für den NSA-Whistleblower Edward Snowden abgeben sollen.

Er sei gegen derartige "Phantomdebatten", wetterte Hubert Pirker im Namen der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). Über ein etwaiges Asyl für den Mann, der die massive Netzspionage durch den US-Geheimdienst und seine Partner publik machte, entscheide nicht die Politik, "sondern die Asylbehörde". Sämtliche EU-Staaten hätten Auslieferungsabkommen mit den USA. Notfalls müsse dann ein Gericht befinden, ob einem Gesuch Washingtons nachgegeben werden müsse. Er könne Snowden jedenfalls nicht empfehlen, "in die Europäische Union zu kommen".

Als Antwort auf die NSA-Spionage forderte Pirker stattdessen "konkrete Maßnahmen", um die Bürger und Industrie vor Spionage schützen. "Wir müssen dringend unabhängig werden von Huawei oder Cisco", ergänzte die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier. Ihr erschien die Diskussion "zu sehr fokussiert allein auf die NSA", so müssten die Abgeordneten auch Cyberangriffe etwa aus China oder Russland stärker in den Blick nehmen sowie "den Datenkraken von Google bis Facebook Widerstand" leisten.

Der CDU-Abgeordnete Axel Voss befürwortete die Ideen aus dem Untersuchungsbericht. So sei es richtig, das transatlantische Safe-Harbour-Abkommen "auszusetzen oder auszuhebeln". Dann könnten Firmen, die personenbezogene Informationen über EU-Bürger sammeln, diese nicht mehr ohne weiteres an US-Niederlassungen übermitteln. Die Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung bleibe aber von großer Bedeutung, schränkte Voss ein. Der transatlantische Vertrag zum Transfer von Finanzdaten des Netzwerks SWIFT dürfe nicht ausgehebelt werden.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Timothy Kirkhope kündigte an, dass seine rechtskonservativen Fraktion ECR am Mittwoch im Plenum gegen den Bericht votieren werde. Die enthaltenen Empfehlungen seien nicht "glaubwürdig" und beruhten teils auf "irrationalen Reaktionen", monierte der Brite. Snowden, der seine Suche nach dauerhaftem Asyl in einem EU-Land jüngst beleuchtet hatte, unterstellte er in seiner Zuflucht in Moskau alles andere als "ehrenhafte Absichten".

"Snowden ist kein Phantom", erwiderten die Grünen. Der Whistleblower habe sein Leben riskiert, um auf das illegale Treiben der Geheimdienste hinzuweisen. Daher sei der Antrag "sehr wohl legitim", mit dem die Mitgliedsstaaten aufgefordert werden sollen, "ihm Asyl und Schutz zu geben". Wo der politische Wille dazu da sei, "ist auch ein Weg". "Worüber würden wir reden, wenn Snowden nicht die Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht hätte", fragte der Innenexperte der Grünen, Jan Philipp Albrecht, in die Runde.

Der österreichische Sozialdemokrat Josef Weidenholzer zollte dem Whistleblower Respekt: Dieser habe seine "persönliche Existenz aufs Spiel gesetzt" um zu zeigen, dass Grundrechte "systematisch und massiv von unserem wichtigsten Verbündeten und einzelnen Mitgliedsstaaten verletzt" würden. Die Fraktion der Sozialisten und Demokraten hatte im federführenden Innenausschuss aber nicht geschlossen für den Antrag gestimmt, sodass dieser dort durchgefallen war.

Der Berichterstatter Claude Moraes betonte, dass die Parlamentarier "die Botschaft an unsere Bürger senden, dass wir ihre Bedenken aufgenommen haben". Unter anderem mit dem Ruf nach besserem Schutz von Daten und Whistleblowern steckten die Abgeordneten digitale Grundregeln als "Bill of Rights" ab, die über die EU hinaus eingeführt werden müssten.

Viel Kritik musste der EU-Rat einstecken. Die Liberale Sophie in't Veld warf den Regierungsvertretern vor, "schändlich versagt" zu haben. Das Parlament sei bislang die einzige europäische Institution, die sich des Themas systematisch angenommen habe. Der Rat drücke sich nach wie vor darum herum, Massenüberwachung als Bruch mit den Grundrechten und als Angriff auf die Basis liberaler Gesellschaften einzustufen, ergänzte die Linke Cornelia Ernst. Der griechische Sozialdemokrat Dimitrios Droutsas konnte als einzigen positiven Nebeneffekt in einzelnen EU-Ländern eine größere Unterstützung für die laufende Datenschutzreform ausmachen. Dazu wollen die Abgeordneten ebenfalls am heutigen Mittwoch ihre Position abstecken.

[Update 12.03.2014 - 13:30 Uhr] Inzwischen hat das Plenum des Europaparlaments abgestimmt und den Bericht mit großer Mehrheit angenommen. Für Edward Snowden wurden keine Sicherheitsgarantien gefordert und auch das Freihandelsabkommen soll nach Meinung der Parlamentarier weiter verhandelt werden. Dafür wird eine Aussetzung des Safe-Harbour-Abkommens und des TFTP (Terrorist Finance Tracking Programme) gefordert. (mho)