Bruce Schneier: "Daten sind das Müllproblem der Informationsgesellschaft"

Der Sicherheitsexperte legte den Schwerpunkt seiner RSA-Keynote auf die Bedeutung des Datenschutzes. Wir erlebten derzeit eine wichtige Umbruchzeit; es liege auch an der Gesellschaft, das Problem der schwindenden Privatsphäre in den Griff zu bekommen.

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Von
  • Christiane Rütten

Der Sicherheitsexperte Bruce Schneier auf der RSA-Konferenz 2008 in London

In seiner Keynote auf der RSA-Konferenz in London hat Stargast Bruce Schneier seinen Schwerpunkt auf die künftige Bedeutung des Datenschutzes zur Wahrung der Privatsphäre gelegt. "Mehr und mehr von dem, was wir tun, vermitteln Computer und das hinterlässt Spuren", erklärte der Security-Guru. Als Beispiele nannte er Handygespräche, SMS, Banktransaktionen und Online-Dienste wie E-Mail, Blogs, MySpace und Twitter. "Daten sind ein natürliches Nebenprodukt der Informationsgesellschaft." Und er warnt: "In einer Informationsgesellschaft besitzen und kontrollieren wir die meisten dieser Daten aber nicht mehr."

Laut dem Sicherheitsexperten erleben wir gerade eine "wichtige Umbruchszeit". Kameras seien inzwischen überall und noch könne man sie sehen. In fünf Jahren werde das aber anders sein – man denke nur an die Möglichkeiten der Miniaturisierung. Überwachung werde mehr und mehr in den Hintergrund verschwinden, wo wir sie nicht mehr wahrnehmen können.

Ein großes Problem sieht Schneier auch darin, dass immer mehr Daten unnützerweise mit Personalien verknüpft werden. "Viel in der Sicherheit hat nichts mit Identität zu tun, und sollte es auch nicht" und trotzdem gehe beispielsweise aus den Daten des Londoner Fahrkartensystems Oyster Card hervor, wo er sich gerade befinde. Selbst bei einem potenziellen Bombenattentäter im Flugzeug sei ihm dessen Name herzlich egal; wichtig sei nur, dass so etwas nicht geschehe. In der aktuellen Debatte gehe es viel zu oft fälschlicherweise um "Sicherheit versus Privatsphäre" und darum, dass man das eine für das andere aufgeben müsse. Dabei gehe es bei Sicherheit tatsächlich aber um "Freiheit versus Kontrolle". Wenn wir die Kontrolle über unsere Daten dem Staat übertrügen, sollten wir dies nur soweit tun, wie dies in unserem Interesse ist. "Privatsphäre schützt vor Staatswillkür", erklärte Schneier.

Durch die Fortschritte bei Speichertechniken sieht Schneier auch die Möglichkeiten einer vollständige Internetüberwachung entstehen. Schnelle Vielschreiber produzierten 100 MByte Text pro Jahr, ein Jahr komprimiertes Videomaterial entspreche rund 700 GByte. Was heute noch wie ein nicht zu bewältigender Datenberg aussieht, dürfte in Zukunft seiner Einschätzung nach kein großes Problem mehr darstellen: "Wir versuchen so schnell wie möglich von den neuen Mechanismen zu profitieren, ignorieren jedoch die Probleme, die sie schaffen."

Große Vorratsdatenbanken, wie sie beispielsweise durch das britische Nummernschilderfassungssystem entstehen, bedeuteten eine fundamentale Evolution der Überwachungsmöglichkeiten. Es sei nun nicht nur möglich, die aktuellen Bewegungen fast jedes Fahrzeugs zu überwachen, sondern auch zu sehen, wohin sich ein Fahrzeug vor einem Monat oder einem halben Jahr bewegt hat. Vor den Folgen einer allumfassenden Überwachung warnte Schneier mit den Worten: "Soll die ganze Welt zu einem Flughafen-Sicherheitsbereich werden, in dem jeder Witz, jeder Kommentar außerhalb seines Kontexts gegen einen verwendet werden kann?"

Dennoch will er nicht vom vielbeschworenen "Tod der Privatsphäre" sprechen und findet Aussagen in dieser Richtung "übertrieben". "Nur, weil die Technik existiert, muss das nicht bedeuten, dass sie auch zur Gänze ausgeschöpft wird." Für eine ausgewogene Umgangsweise mit der Datensammlung setzt der Sicherheitsexperte vornehmlich auf die Macht gesellschaftlicher Konventionen.

Um die Beschneidungen der Privatsphäre in den Griff zu bekommen, schlägt Schneier eine strikte und effektive Reglementierung und gerichtliche Kontrollen beim Zugriff auf die Daten vor. Er resümiert: "Daten sind das Müllproblem der Informationsgesellschaft." Folglich sollten wir unsere Datenspuren auch wie ein Müllproblem behandeln. Wenn niemand aufräumt, bleibe der Müll halt liegen. (cr)