Der Tischtennisroboter und sein Phantom-Tüftler

Der Tischtennisroboter von Ulf Hoffmann sorgte im Netz erst für Begeisterung und wurde dann als clevere Fälschung enttarnt. Zwei Wochen später ist klar: Auch den Garagen-Tüftler hat es nie gegeben.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Philip Steffan

Vor zwei Wochen machte im Internet ein Video die Runde, in dem der Tischtennisprofi Timo Boll gegen einen Industrieroboter spielt. Eine gut erdachte Werbekampagne, die sich schnell als Inszenierung herausstellte: Der Roboter kann gar nicht in Echtzeit auf die Schläge von Boll reagieren, sondern nur vorab programmierte Bewegungen abfahren.

Im Fahrwasser der professionellen Kampagne tauchte ein ähnliches Video in einigen Technikblogs auf: Der Ulf-Hoffmann-Tischtennis-Roboter (UHTTR-1), ein Freizeitprojekt von Ulf Hoffmann aus Rodgau in Hessen. In seinem Blog beschreibt der Industriemechaniker über Monate, wie er in der eigenen Garage gemeinsam mit seinen Freunden Bernhard und Jürgen und seinem Sohn Michael an dem Roboter baut: Erste Skizzen, Risszeichnungen, dann selbst gefräste Teile und schließlich ein mit drei Minuten für die YouTube-Aufmerksamkeit viel zu langer Film. Das alles so hemdsärmelig wie viele Blogs von Tüftlern, mit unscharfen Fotos und einem Eintrag über den Sommerurlaub auf Mallorca.

Hoffmanns Video zeigt einen Roboterarm auf einer Schiene, der bei einem gemächlichen Tischtennis-Match gegen einen Menschen mühelos mithalten kann. Der Film aus der Garage spielt in einer ganz anderen Liga als der Werbefilm mit Timo Boll, dafür sieht er vor allem authentisch aus, jedenfalls auf den ersten Blick. Nach wenigen Stunden häuften sich in den Kommentaren unter dem Video die Behauptungen, der Film sei fingiert: Ein Kabel bewege sich unrealistisch, der Sound sei für Servos untypisch und der Schatten des Roboters unecht.

Viele Blogs, die das Video zunächst gefeiert hatten, änderten daraufhin ihre Texte und Überschriften. Das Hardware-Hacking-Zentralorgan Hack a Day versprach, bei Hoffmann nachzufragen. Eine Antwort ist allerdings eher unwahrscheinlich, denn nicht nur der Roboter ist eine Fiktion: Auch Ulf Hoffmann gibt es nicht. Das Video, seine Person, das Blog, die Facebook-Profile von ihm und seinen Freunden: Alles gefälscht.

Hinter dem Fake steckt die Postproduction-Agentur Tobi & Tron aus Frankfurt am Main. Tobias Becker und Steffen Tron produzieren mit ihrem Team Spezialeffekte und Animationen, vor allem für Werbespots. Ulf Hoffmann und seinen Roboter haben sie allerdings für keinen Auftraggeber erdacht, sondern aus ganz eigenem Interesse: Sie wollen in diesem Jahr eine Agentur für virale Kampagnen gründen. Ulf Hoffmann ist ihr Testballon, wie weit man eine solche Aktion treiben kann.

Denken sich Roboter und Roboterbauer aus: Tobias Becker und Steffen Tron.

Da für eine Kampagne ein YouTube-Video allein nicht ausreicht, auch wenn es witzig oder faszinierend ist, haben sich Becker und Tron auch Ulf Hoffmann und seine Geschichte ausgedacht. Die Fotos und Videos entstanden im Hobbykeller und der Garage im Haus von Beckers Eltern. Monatelang bloggte "Ulf" immer wieder über den aktuellen Stand seines Projekts, berichtete von Erfolgen und Fehlschlägen, etwa am 6. August 2013: "Leider hat Bernhard seinen Job verloren und kann uns daher vorerst nicht mehr bei unserem Projekt unterstützen."

Als die Kamera lief, stand auf der gegenüberliegenden Seite der Platte noch Steffen Tron und spielte die Bälle zurück. Am Computer löschte sich der Animator dann selbst aus dem Video und baute dafür den Roboter ein. Kleine Fehler im Bild übersieht das Auge einfach. Einer Armada von Nerds, die das Video Frame für Frame durchprüfen, entgehen sie allerdings nicht. Der Tischtennisroboter aus dem 3D-Programm sollte auch nicht unbedingt real, aber plausibel aussehen. Die Netz-Experten hatten allerdings recht, was den falschen Klang der Servomotoren angeht: Das Geräusch stammt von einer hin- und hergeschobenen Märklin-Lokomotive aus der Sammlung von Beckers Vater.

Im Netz gingen Zweifler das Video Bild für Bild durch und fanden kleine Fehler: Die Kamera zur Ballverfolgung wurde nachträglich eingefügt und verschwindet daher nicht hinter dem Schläger.

"Mit mehr Budget und mehr Zeit hätte man die Zuschauer aber überzeugen können", sagt Tobias Becker. In einer echten Kampagne wäre Ulf Hoffmann auch noch viel mehr ins Detail gegangen und hätte real existierende Bauteile beschrieben. Wichtig für die perfekte Illusion sei es, genau den Grad zwischen Machbarkeit und dem Wunsch nach Realität zu treffen, wie auch im Werbevideo für das Hoverboard aus "Zurück in die Zukunft II", das kurz davor durchs Internet ging, und auf das Becker etwas neidisch ist: "Es sollte nie 100 Prozent sicher sein, dass etwas nicht möglich ist. Es muss immer der Zweifel da sein zwischen: 'Das geht nicht.' und 'Wer macht denn für ein Video so einen Aufwand?'"

Eigentlich war Ulf Hoffmann ein längeres virtuelles Leben zugedacht: Das Video des fertigen Tischtennis-Roboters sollte erst im Sommer online gehen, bis dahin waren noch zwei Zwischenstufen in der Konstruktion des fiktiven Roboters geplant. Als dann im Februar das Video mit Timo Boll angekündigt wurde, beschlossen Becker und Tron, sich einzuklinken und die Aufmerksamkeit jetzt schon auf ihr Projekt zu lenken.

Ob es Uwe Hoffmann gibt und warum er nur so tut, als ob er einen Roboter gebaut habe, wollten die beiden Frankfurter eigentlich gar nicht verraten: Die Aktion sollte nur zukünftige Kunden überzeugen und ansonsten ein Mysterium bleiben. Ihr nächster fiktiver Charakter wird daher vermutlich nicht Facebook-Fan der realen Agentur sein – eine unübersehbare Spur.

Im April wollen Tobi & Tron ihr nächstes virales Video starten. Das Ziel sind diesmal über eine Million Abrufe bei YouTube. Dass sie dahinter stecken, werden sie natürlich nicht verraten.

PS: Auch wir bei Heise wären fast auf Ulf Hoffmann hereingefallen: Dieser Artikel begann mit der Absicht, den Tüftler mit seinem Roboter herzlich zur Maker Faire Hannover einzuladen.

(phs)