Türkei: Twitter-Blockade nach Gerichtsurteil vor dem Ende

In der Türkei hat ein Gericht entschieden, dass die Blockade des Mikroblogging-Dienstes Twitter ausgesetzt werden müsse. Auch wenn das Urteil noch angefochten werden kann, kündigte die Regierung bereits an, ihm folgen zu wollen.

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Ein Verwaltungsgericht in der türkischen Hauptstadt Ankara hat den Vollzug der Twitter-Blockade im Land vorläufig aufgehoben. Das berichtet die Hürriyet Daily News, schreibt aber auch, dass noch unklar sei, ob die Sperrung nun auch umgehend beendet werde. Auch wenn die Telekommunikationsbehörde das Recht habe, die Entscheidung anzufechten, seien sich Rechtsexperten einig, dass die Blockade bis zum zweiten Entscheid abgeschaltet werden müsse. Der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arınç habe bereits angekündigt, dass die Entscheidung umgesetzt werde.

Erdoğans Kampf gegen soziale Netze

Spätestens mit den Gezi-Protesten hat in der Türkei nicht nur ein hartes Vorgehen gegen die Opposition, sondern auch ein massiver Machtkampf zwischen Premier Erdoğan und der sogenannten Gülen-Bewegung begonnen. Der wird auch immer mehr im Internet ausgetragen, das so selbst ins Visier der Regierung geriet. Es folgten ein schärferes Kontrollgesetz sowie die Sperrung von Twitter und Youtube.

Wie die Zeitung weiter schreibt, hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan noch kurz vor der Gerichtsentscheidung angedeutet, die Blockade könnte auch auf YouTube und Facebook ausgeweitet werden. Außerdem habe er erklärt, die Verantwortlichen bei Twitter seien bereit, "ein oder zwei" Inhalte zu entfernen. Das sei seiner Regierung aber nicht genug, gebe es doch etwa "700 Inhalte", die gelöscht werden müssten.

Inzwischen gibt es auch neue Zahlen über die Auswirkungen der Sperrung. Wie die Tageszeitung Today's Zaman meldet, ist die Anzahl türkischer Tweets nach Rekordwerten am ersten Tag der Blockade zurückgegangen. Das könnte mit den immer schärferen Maßnahmen zur Umsetzung der Sperrung zusammenhängen, aber auch mit dem Fernbleiben von Erdoğans Unterstützern. Die türkische Soziologin Zeynep Tüfekçi habe das auch als eigentliches Ziel ausgemacht: Der Mikroblogging-Dienst sollte vor der Kommunalwahl in wenigen Tagen vor allem unter den Wählern der AKP diskreditiert werden.

In der Auseinandersetzung geht es um inkriminierende Telefonmitschnitte Erdoğans, die auf YouTube gepostet und von türkischen Internetnutzern auf Twitter und Facebook geteilt werden. Das ist Teil eines seit Monaten tobenden Machtkampfs zwischen dem Ministerpräsidenten und seiner Partei AKP sowie der sogenannten Gülen-Bewegung. Sie wird von dem islamischen Gelehrten Fethulla Gülen aus den USA geführt. Beide Seiten hatten jahrelange kooperiert, dann war es aber zu einem Bruch gekommen – offenbar ausgelöst durch die Niederschlagung der Proteste gegen das Ende des Gezi-Parks in Istanbul (mho)