Das digitale Klassenzimmer kommt

Der Einzug von Tablet & Co in die Schulen ist nicht aufzuhalten. Selbst branchenfremde Unternehmen beginnen inzwischen damit, komplette Digitalmedien-Plattformen für den Bildungssektor aufzusetzen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Bildung sei die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern, formulierte einst Nelson Mandela. Doch Bildung kostet Geld. In Deutschland belaufen sich die Ausgaben in der Sekundarstufe I laut Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf über 7000 Euro pro Schüler und Jahr. Wie die zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt werden können, zeigen alljährlich die Aussteller der didacta, Europas größte Bildungsmesse. Unverkennbar ist der Trend zur Digitalisierung der Klassenzimmer. So wartet die didacta 2014 in Stuttgart erstmals mit einem eigenen Ausstellungsbereich "Neue Technologien" in Halle 8 auf.

didacta 2014 - ein Rundgang in Bildern (11 Bilder)

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Willkommen zur größten Bildungsmesse Europas (Bild: Peter-Michael Ziegler)

Gezeigt werden dort vor allem Smartboards (elektronische Tafeln) sowie andere digitale Präsentationslösungen in vielen Variationen. Ein großes Thema sind auch Laptops, Netbooks und Tablets für den Schulgebrauch. Initiativen für die Nutzung digitaler Endgeräte in der Schule können dabei aus sehr unterschiedlichen Richtungen kommen. "Bei uns waren es die Eltern, die den Impuls gegeben haben", erklärte Matthias Wolf vom Wilhelm-Ostwald-Gymnasium in Leipzig bei der Podiumsdiskussion "Lerninfrastrukturen in Schulen – IT erfolgreich integriert!". Hintergrund war die Frage, ob man das Geld für die geplante Anschaffung von Taschenrechnern nicht besser in eine Multifunktions- statt in eine Einzellösung investieren sollte.

Heute kommen am Ostwald-Gymnasium vorwiegend elternfinanzierte Netbooks nach dem BYOD-Prinzip auch bei Klassenarbeiten zum Einsatz. Um Schummeleien zu unterbinden, werden die Geräte vor Leistungskontrollen per USB-Stick mit einer speziellen Prüfungskonfiguration gebootet. Problematisch gestaltet sich die Situation, wenn die Beteiligten (Lehrer, Schüler und Eltern) nicht an einem Strang ziehen, weiß Christian Brust, stellvertretender Schulleiter des Stuttgarter Eschbach-Gymnasium. Als größtes Hindernis bei der Ausgestaltung schulinterner Konzepte zur Nutzung neuer Techniken würden sich nicht selten die eigenen Kollegen erweisen, sagt Brust. Auch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass sich Mehrwerte beim Einsatz neuer Techniken oft erst später einstellen. Wichtig sei zudem ein intensiver Austausch mit anderen Schulen.

Das iPad spielt in der hiesigen Schullandschaft bislang nur eine untergeordnete Rolle: Lediglich 0,5 Prozent aller Schüler in Deutschland nutzen ein solches Gerät regelmäßig im Unterricht. Praktiker wie Matthias Wolf können dafür auch Gründe anführen: Ein Problem vieler Schulen sei die schlechte WLAN-Ausleuchtung – und mit einem normalen LAN-Kabel lässt sich das iPad eben nicht verbinden. Zudem fehle der USB-Port, der z.B. für die bereits erwähnte Prüfungskonfiguration benötigt wird. #

Trotzdem sieht Apple gute Chancen im deutschen Bildungsmarkt, etwa durch den Verkauf von digitalen Büchern, die 3D-Inhalte, Fotos, Videos und Animationen enthalten können. Den Unterrichtsplan in US-Highschools deckt der iPad-Hersteller damit nach eigenen Angaben schon ab.

Zu den didacta-Ausstellern, die auf das Apple-Ökosystem setzen, gehört unter anderem der Madsack-Media-Store. Das Tochterunternehmen der Mediengruppe Madsack mit Sitz in Hannover, die bundesweit 18 Zeitungstitel herausgibt und einen Jahresumsatz von rund 700 Millionen Euro erwirtschaftet, ist über das eigene E-Paper-Geschäft in die Schulen vorgestoßen. Man habe dabei auf Anfragen der Schulen reagiert, heißt es bei Madsack. Gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung und der Initiative n-21 wurde das SchoolTab-Programm entwickelt, das derzeit von 15 Schulen mit insgesamt etwa 500 Schülern in der Region Hannover genutzt wird.

Punkten will man mit sogenannten "Rundum-sorglos-Paketen", die Hardware (iPads), schulspezifische Anwendungen, E-Paper-Abo, Anwender-Support und Versicherung umfassen. In Kooperation mit der Veröffentlichungsplattform meinbestseller.de soll ab Sommer 2014 zudem verstärkt eigener Content über das neue Angebot "SchoolPub" abrufbar sein. Angedacht sind beispielsweise von Lehrern selbst entwickelte Unterrichtsmaterialien, die von anderen Kollegen dann gegen Bezahlung übernommen werden können. Madsack arbeitet außerdem mit Heinekingmedia zusammen, einem Hersteller von Digitalen Schwarzen Brettern (DSB). Über dessen App "DSBmobile" lassen sich aktuelle Schulinformationen direkt auf die Schüler-iPads schicken.

Für etablierte Größen im Geschäft mit Bildungsmedien stellen Quereinsteiger wie Madsack eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz dar. Denn wer erst einmal Zugang zum digitalen Klassenzimmer hat, wird dieses so schnell nicht wieder verlassen. Mit Cornelsen reagiert darauf jetzt einer der Platzhirsche der Branche: In Stuttgart stellte das Unternehmen die Plattform scook vor, auf der künftig Schulbücher aller Cornelsen Schulverlage in digitaler Form bereitgestellt werden sollen. Auch Zusatzmaterialien wie Arbeitsblätter, Kurzfilme, Audio-Files oder Handreichungen sollen später direkt mit den digitalen Lehrwerken verknüpft werden. Das Material soll sowohl von Cornelsen selbst als auch von Partnern geliefert werden und teils kostenfrei, teils kostenpflichtig sein. (pmz)