Frankreich: Verdächtige SMS führt zu 24-stündigem Polizeigewahrsam

Die Staatsanwaltschaft verfügt die Festnahme eines jungen Mannes, weil er eine mehrdeutige Kurznachricht, die den Verdacht auf terroristische Aktionen nähren kann, nicht bei den Behörden gemeldet hat.

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Von
  • Thomas Pany

Eine SMS mit "verdächtigem Inhalt" hat einem jungen Franzosen 24 Stunden in Polizeigewahrsam eingebracht. Der Text der Kurzmitteilung lautet nach Angabe der französischen Tageszeitung Le Monde: "Hast du eine Idee, wie man einen Zug zum Entgleisen bringen kann?" Weil er diese Nachricht nicht sofort bei den Behörden meldete, wurde der 29-Jährige aus Abbeville (Picardie) in Nordfrankreich, der als nicht vorbestraft bezeichnet wird, von der Polizei festgenommen.

Abgeschickt hatte die SMS nach Informationen der Lokalzeitung Courrier Picard eine "entfernte Arbeitsbekanntschaft". Abgefangen wurde sie von der Telefongesellschaft, die dem jungen Mann ein Ersatzhandy zur Verfügung gestellt hatte, da sich sein Mobiltelefon in Reparatur befand. Das Mobilfunkunternehmen tat, was der SMS-Empfänger unterließ: Es meldete die verdächtige Kurznachricht bei der Staatsanwaltschaft in Abbeville, die den Mobiltelefonbesitzer anschließend vorlud.

Laut Lokalzeitung fällt der junge Mann "aus allen Wolken", als er vom Staatsanwalt mit dem Terrorismusverdacht konfrontiert wird und vor allem mit der möglichen Konsequenz einer bis zu zehn Tage dauernden Festnahme. Nach eigenen Angaben hat er in der SMS "nichts Böses gesehen". Staatsantwaltschaft und Polizei sehen das allerdings anders. "Das Procedere ist für jeden gleich, egal ob das Risiko mehr oder weniger wahrscheinlich ist" – nach den Worten des Staatsanwalts hat das "Prinzip der Vorsicht" bei allen Belangen, die mit Terrorismus zu tun haben, unbedingten Vorrang.

Zum Nachteil des Verdächtigen wirkte laut Staatsanwalt eine Äffäre, die sich im Herbst letzten Jahres in Frankreich abspielte und noch in frischer Erinnerung sei: die Affäre Tarnac. In deren Verlauf wurde eine Gruppe von Personen festgenommen, die im Verdacht stand, die französische Eisenbahn sabotiert zu haben. Wie Berichte deutscher und französischer Medien zeigen, wurden die Verdächtigen im Fall Tarnac allerdings wieder freigelassen, weil die gegen sie erhobenen Vorwürfe unhaltbar waren.

Weshalb der Arbeitskollege die folgenreiche SMS versandt hat, ist bislang noch nicht öffentlich bekannt.

Update:

Während der junge Mann gegenüber einer Nachrichtenagentur inzwischen erklärt hat, dass es sich um einen Scherz mit schlechtem Geschmack gehandelt habe, nimmt das französische Mobilkommunikationsunternehmen Bouygues Télécom die Angelegenheit ernst und hat eine interne Untersuchung eingeleitet, um herauszufinden, unter welchen Umständen die fragliche SMS an die Behörden weitergeleitet wurde.

Eine Sprecherin des Unternehmens erklärte, dass es "dem Mobilfunk-Betreiber nicht erlaubt ist, den Inhalt einer SMS an Behörden weiterzugeben, es sei denn auf eine gerichtliche Anordnung. Wir haben nicht das Recht, Inhalte, die unsere Kunden austauschen, zur Kenntnis zu nehmen".

Im Gegensatz dazu hatte der Staatsanwalt von Abbeville, Eric Fouard, zuvor die Auffassung vertreten, wonach der Mobilfunk-Betreiber das Recht habe, sich die Mitteilungen anzuschauen und die Pflicht, die Behörden zu alarmieren, wenn nach seiner Einschätzung die Möglichkeit besteht, dass ein Verbrechen oder eine Straftat begangen werden könnte.

Update 2

Am 05.05.09 veröffentlichte die Lokalzeitung Courrier Picard eine Meldung, wonach die fragliche SMS nicht durch Bouygues Télécom an die Behörden gelangte, sondern durch einen Sicherheitsmitarbeiter der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF. Der Mann hatte sich dasselbe Mobiltelefon ausgeliehen, das zuvor dem 29Jährigen zur Verfügung gestellt worden war. Er verständigte seine Vorgesetzte über den Inhalt der SMS, diese rieten ihm dazu, zur Polizei zu gehen. ()