Fabrik fürs All

3D-Drucker entwickeln sich zu Universalwerkzeugen für alle Lebenslagen. Besonders hilfreich könnten sie in der Raumfahrt werden.

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Von
  • Joseph Scheppach

3D-Drucker entwickeln sich zu Universalwerkzeugen für alle Lebenslagen. Besonders hilfreich könnten sie in der Raumfahrt werden.

Im Frachtgut der Weltraumkapsel Dragon befindet sich ein Paket, das die Raumfahrt grundlegend verändern soll. Es ist nicht größer als zwei Schuhkartons und enthält einen eigens für die Schwerelosigkeit entwickelten 3D-Drucker. Astronaut Steve Swanson will ihn auf der Internationalen Raumstation ISS testen. Bewährt sich das Verfahren, könnte es irgendwann die Rolle einer transportablen Fabrik im All spielen, die Ersatzteile, Werkzeuge, Nahrungsmittel oder sogar ganze Mondbasen quasi aus dem Nichts erschafft.

Der Drucker für die ISS stammt vom US-Start-up "Made in Space". Es wurde 2010 von Raumfahrt-Veteranen, 3D-Druck-Experten und jungen Entrepreneuren gegründet. Sie wollen gemeinsam "radikal die Art ändern, wie wir den Raum erkunden", heißt es selbstbewusst auf ihrer Homepage.

In der herkömmlichen Raumfahrt wird die gesamte Ausrüstung auf der Erde hergestellt und dann ins All geschossen. Weil vorab jegliche Eventualität bedacht werden muss, führe das zu "extrem überplanten" Missionen, kritisieren die Gründer von Made in Space. Gehe dann trotzdem irgendetwas schief, müssten die Astronauten improvisieren oder dem Tod ins Auge schauen; außerdem werde derzeit jedes Gerät so gestaltet, dass es in die Startrakete passt, und nicht so, wie es für den späteren Einsatz im All optimal wäre. All dies ließe sich ändern, wenn man die nötigen Gegenstände erst im All herstellen würde – mit einem 3D-Drucker.

Das Modell, das demnächst zur ISS fliegen soll,arbeitet mit dem FDM-Verfahren (Fused Deposition Modeling) – so wie praktisch alle preiswerten 3D-Drucker für den Hausgebrauch. Eine Heizdüse trägt dabei 0,025 bis 1,25 Millimeter dünne Schichten aus geschmolzenem Kunststoff auf. Doch verbinden sich diese Schichten auch noch ausreichend miteinander, wenn die Schwerkraft fehlt? "Dann geraten kommerzielle 3D-Drucker leicht aus der Spur", erklärt Mike Snyder, Technikchef von Made in Space. "Unser neuartiges 'No float'-Modell arbeitet auch in der Schwerelosigkeit millimetergenau." Was genau sie am FDM-Verfahren geändert haben und wie ihr Drucker im Detail funktioniert, will er nicht verraten. Der Prototyp habe jedenfalls auf 300 Parabelflügen "wie vorgesehen gearbeitet", so Snyder.

Ob dies auch für den Langzeitbetrieb gilt, sollen in den kommenden sechs Monaten diverse Experimente zeigen, bei denen kleine Plastikteile gedruckt werden. Deren Pläne wurden bereits in den Drucker einprogrammiert. Made in Space wünscht sich weitere Designvorschläge, die dann von der Erde aus zum Printer gefunkt würden.

Einige Forscher bezweifeln indes, dass Drucker im All wirklich mehr Probleme lösen als schaffen würden. "Um eine Flachzange herzustellen, braucht der Drucker Metall. Ist eine Zahnbürste nötig, muss Plastik her. Alle Materialien müssen sich schon auf der ISS befinden oder dorthin geliefert werden", gibt der russische Kosmos-Experte Juri Karasch zu bedenken. "Vielleicht ist es leichter, gleich einen fertigen Schraubenzieher zur ISS zu schicken." Scott Hovland, Leiter des Esa-Projekts Lunar Exploration, will dieses Argument nicht gelten lassen: "Wenn man variabel sein will, muss man auch während einer Reise im All Dinge entwerfen und produzieren können", sagt Hovland. "Der 3D-Druck ermöglicht es, die notwendige Logistik zu reduzieren und die Besiedelung des Mondes zu erleichtern."

Auch mehr als einen Kilometer große Strukturen ließen sich mit entsprechenden Druckern aufbauen. "Wir planen, Mondbehausungen aus Mondstaub zu drucken", kündigt Hovland an. Einen 1,5 Tonnen schweren Ziegel hat die Esa bereits in Zusammenarbeit mit dem Londoner Architektenbüro Foster + Partners aus Mondstaub-ähnlichem Vulkan- material gefertigt. Dazu sprühten mächtige Druckdüsen ein Bindemittel auf das sandartige Baumaterial und verfestigten es Schicht für Schicht zu einer zellenförmig strukturierten Wand. Nasa-Weltraumarchitekten arbeiten an einem etwas anderen Verfahren namens "SinterHab". Sie wollen Mondstaub mit Mikrowellen so weit erhitzen, dass sich eine Schmelze bildet. Ein 3D-Drucker, der in einen sechsbeinigen Roboter integriert ist, fertigt daraus dann die Wände für eine Mondstation. Die nötige Energie soll die Sonne liefern.

Auch bei der Verpflegung könnten 3D-Drucker künftig eine Rolle spielen. Die Nasa tüftelt gemeinsam mit der texanischen Systems and Materials Research Corporation (SMRC) und der North Carolina State University an einem Pizzaautomaten. SMRC-Techniker Anjan Contractor hat bereits eine Maschine gebaut, die Schokolade auf einem Keks verteilt. Nun will er das Prinzip auf Pizzen übertragen. Zunächst bringt eine Spritzdüse dabei eine spezielle Pulver-Wasser-Mischung auf eine beheizte Arbeitsplattform auf. Darauf kommt dann eine Soße – etwa Tomatenpulver gemischt mit Öl und Wasser – sowie eine proteinreiche Gallertschicht. Wenn die Nasa grünes Licht gibt, muss der Pizzadrucker noch für die Schwerelosigkeit weiterentwickelt werden. In vier bis fünf Jahren, hofft Contractor, könnte es dann die erste frische Pizza im All geben. (bsc)