NASA testet interplanetares Internet

Die US-Raumfahrtbehörde NASA hat eigenen Angaben zufolge erfolgreich ein speziell für Weltraumbedingungen entworfenes Internet-Protokoll getestet, das später einmal Grundlage für ein sonnensystemweites "Interplanetary Internet" sein soll.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 138 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Peter-Michael Ziegler

Ziel des "Interplanetary Internet" ist die Vernetzung von Weltraummodulen mit einer Flexibilität wie auf der Erde.

(Bild: NASA)

Die US-Raumfahrtbehörde NASA hat eigenen Angaben zufolge in den vergangenen Wochen erfolgreich ein speziell für Weltraumbedingungen entworfenes Internet-Protokoll getestet, das später einmal Grundlage für ein sonnensystemweites "Interplanetary Internet" sein soll, über das Raumstationen, Satelliten, unbemannte Sonden, Roboterfahrzeuge, Bodenstationen, aber auch Bewohner von Mond- und Mars-Basen miteinander kommunizieren. Die Entwicklung eines solchen "Deep Space Communications Network" war von der NASA bereits vor rund zehn Jahren gemeinsam mit Vint Cerf initiiert worden, seines Zeichens Mitentwickler der Protokollsuite TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol), die heute den Standard bei der Vernetzung von (Internet-)Rechnern definiert.

Um den besonderen Gegebenheiten einer Weltraum-Kommunikation über Millionen oder Milliarden Kilometer hinweg mit Signallaufzeiten bis in den Stundenbereich gerecht zu werden, entwarfen NASA-Wissenschaftler und Cerf das Konzept des "Delay- and Disruption-Tolerant Networking" (DTN). Während etwa in TCP/IP-Netzen kontinuierliche Ende-zu-Ende-Verbindungen Voraussetzung für einen erfolgreichen Datentransfer sind und Pakete einfach verworfen werden, wenn sie nicht in einer bestimmten Zeit zugestellt werden können, stehen im DTN sogenannte Store-and-Forward-Methoden im Vordergrund: Jede Zwischenstation hält die zu übermittelnden Daten so lange vor, bis sie erfolgreich an den Empfänger transferiert wurden.

Getestet wurde das "Delay- and Disruption-Tolerant Networking" NASA-Angaben zufolge jetzt mit insgesamt 10 Knoten, von denen die seit Januar 2005 im All befindliche Raumsonde Deep Impact (heute unter dem Namen "Extrasolar Planet Observation and Deep Impact Extended Investigation", kurz "EPOXI", bekannt) den wichtigsten Part innehatte. Denn anders als die anderen neun Knoten, die sich allesamt auf der Erde beim Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena (Kalifornien) befanden und Marsmodule oder Kontrollzentren simulierten, fliegt EPOXI derzeit rund 32 Millionen Kilometer von der Erde entfernt durchs All und steuert den Komet 103P/Hartley 2 an.

Da EPOXI über zwei redundant ausgelegte Computersysteme verfügt, die ausreichend Prozessorleistung (RAD-750-CPUs, 133 MHz) und Speicher (insgesamt 1 GByte) mitbringen, wurde die Raumsonde kurzerhand per Software-Update umprogrammiert, um als temporäre Forschungsstation für die neuen DTN-Protokolle zu dienen. Die Kommunikation erfolgte über Parabolantennen des Deep Space Network (DSN) der NASA, das bereits seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Einsatz ist. Ab Oktober wurde EPOXI dann zweimal pro Woche in den Zustand eines virtuellen Mars-Orbiters versetzt und fungierte als DTN-Datenknoten. Transferiert wurde laut NASA-Angaben vor allem Bildmaterial.

"Das ist der erste Schritt auf dem Weg zu einem völlig neuen Weltraum-Kommunikationssystem", erläutert der Projektverantwortliche bei der NASA, Adrian Hooke. Müssten die Teams in den Kontrollzentren derzeit Verbindungen zu einer Raumsonde manuell herstellen und Datentransferkommandos per Hand eingeben, könne dies mit DTN künftig weitgehend automatisiert werden. Vint Cerf hatte die Vorzüge von DTN in einem Interview mit Technology Review zuletzt so erklärt: " Wir wollten eine Protokoll-Suite erstellen, die eine ähnliche Netzwerkflexibilität im Weltraum ermöglicht, wie wir sie schon auf der Erde kennen. Beim Interplanetary Internet geht es also primär darum, eine Anzahl von Kommunikationsstandards und technischen Spezifikationen zu entwickeln, um unter Raumbedingungen reichhaltige Netzwerkanwendungen zu fahren."

"Das Wichtige", sagt Cerf, sei, "dass wir dann endlich standardisierte Protokolle haben werden, die uns erlauben, zahlreiche Weltraumfahrzeuge miteinander zu vernetzen – und zwar egal, welche Weltraumnation sie letztlich ins All schickt. Mit der Zeit werden neue Missionen gestartet, und der Aufbau der Backbone-Fähigkeiten unseres Netzes beginnt. Mit jeder neuen Mission kommt dann ein weiterer Knoten hinzu. Unsere Hoffnung ist es, dass wir in naher Zeit DTN-Protokoll-Anwendungen terrestrisch in das Internet einfügen können und diese zu Testzwecken auch auf die Internationale Raumstation holen. Letztlich soll dieses Netz dann ständig laufen und später, wenn neue Deep Space-Missionen mit dieser Technologie gestartet werden, Teil eines interplanetaren Kommunikationssystems werden."

Der "Vater des Internets" sieht aber auch die Gefahren: "Natürlich gibt es mögliche Sicherheitsbedenken bei einer solchen Technik. Wir sind deshalb entsprechend vorsichtig vorgegangen und haben Verteidigungsstrukturen direkt in unser Design implementiert. Jeder Knoten wird die Identität jedes anderen Knotens, mit dem er kommuniziert, vorher verifizieren und die Weiterleitung von Daten verweigern, wenn er ihn nicht zweifelsfrei erkennt. Wir werden dazu starke Authentifizierungsmethoden und kryptographische Verfahren nutzen, um sicherzustellen, dass nur jene Parteien die Ressourcen nutzen, die das auch wirklich dürfen." Als Nächstes soll die DTN-Software in Rechner der Internationalen Raumstation (ISS) geladen werden, Demonstrationen sind für den Sommer 2009 geplant.

Siehe dazu auch:

  • "Einfach neue Software hochladen" - Interview mit Vint Cerf, Mitentwickler der Netzwerkprotokolle TCP/IP und DTN (Delay- and Disruption-Tolerant Networking)

(pmz)