Die Honda Gold Wing F6C ist vielleicht die bessere Triumph Rocket 3

Walkürenritt

Cruiser brauchen vor allem Hubraum für stampfenden Schub ab niedersten Drehzahlen. Üblich sind V2-Motoren, doch ein echtes Erlebnis ist es, sich auf einen größtenteils nackten Sechszylinder-Boxermotor zu setzen

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Wenn diese Wuchtwalküre ums Eck biegt, macht man ihr Platz, denke ich. 17 Bilder
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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Stuttgart, 29. April 2014 – 2008, A5: Wie ein Fetzen flattere ich an einer Maschine, die mir zum ersten Mal eine Art Verständnis dafür gegeben hat, warum jemand einen Cruiser fährt, und warum dieser Cruiser vor allem eines haben muss: Hubraum. Die Triumph Rocket 3 unter mir hat ein Getriebe, aber keinen Grund dafür. Die Tachonadel liegt am rechten Anschlag an, mit flatterndem Kopf bleibt unerkennbar, welche Geschwindigkeit das dort sein soll. Der fette 2,3-Liter-Dreizylinder zieht dennoch einfach weiter. Du willst gar nicht wissen, wie schnell das grad ist, so vielleicht die Botschaft. Es war ein einschneidendes Erlebnis, und ich angesichts der neuen Gold Wing F6C kann ich mir gut vorstellen, dass die alten F6C-Modelle in den Neunzigern Triumphs Vorbild waren.

Leider heißt das Kraftrad bei uns in Deutschland nur noch "Gold Wing F6C" ohne "Valkyrie", was uns jedoch nicht davon abhalten sollte, die fette Rubensrollerin eine "Walküre" zu nennen. 70 kg Verkleidungsgeraffel hat Honda im Vergleich zur normalen Goldwing entfernt, es bleibt der Antrieb, der Alu-Brückenrahmen und vor allem der 1800er-Sechszylinder-Boxermotor, heute mit 117 PS Nennleistung. Wie der Dreizylinder in der Rocket ist der Goldwing-Boxer in seiner ganzen Art mehr Auto- denn Motorradmotor. Er brummt sonor, aber nicht sonderlich aufregend, und gibt sein Drehmoment gleichmäßig wie ein Elektromotor ab. Dass sowas trotzdem toll sein kann, liegt am unheimlichen Drehmoment so eines Automotors, das auf die wesentlich leichtere Konstruktion eines Motorrads wirkt: *SchwuuuuuUUUUAARR!* macht es, dann ist der Drehzahlmesser oder der Tacho am Ende.

Verhandlungen mit Walküren

Es gibt im eigentlichen Sinn keinen Fahrer auf der F6C, denn "Fahrer" impliziert, dass der die Walküre Reitende ihr autoritär diktiert, wie die Fahrt vonstatten gehen solle. In Wahrheit jedoch diktiert irgendwie die Walküre mit, wie es voran geht. Sie tut das durch weibliches Nahelegen von Dingen wie "jetzt fährst du aber ein bisserl schnell", oder durch ganz sachliches Beschränken: "Mehr Schräglage gibt es nicht. Passe dich an." Oder auch: "Dein Bremspunkt war eigentlich da hinten." Und dieses mit der Walküre verhandeln macht irgendwie richtig, richtig Spaß. Nein, das ist nicht schnell. Aber es ist cool. Es ist so cool, dass sich das Gemüt anpasst und mit ihm die Fahrweise auf eine ruhigere. Aktives Sicherheits-Feature. Weiter zur aktiven Sicherheit tragen das im Vergleich zur Goldwing um das Gewicht einer kräftig essenden Beifahrerin erleichterte Alu-Chassis der Goldwing plus eine kräftige Bremsanlage bei.