Kommentar: EuGH bestätigt deutsche Rechtslage

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Suchmaschinen persönliche Daten unter bestimmten Umständen löschen müssen. In einer ersten Einschätzung gibt Rechtsanwalt Tobias Strömer eine Einschätzung der Auswirkungen in der Praxis.

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Von
  • Tobias H. Strömer

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Personen, die im Internet im Zusammenhang mit unangenehmen Wahrheiten genannt werden, grundsätzlich Anspruch darauf haben, dass ihr Name irgendwann einmal gelöscht wird. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf Online-Archive von Tageszeitungen und Suchmaschinen?

Gegen die Veröffentlichung seines Namens im Online-Archiv einer spanischen Tageszeitung hatte ein Spanier geklagt. Die Zeitung hatte eine Anzeige zur Versteigerung eines Grundstücks wegen einer Forderungspfändung veröffentlicht. Unglücklicherweise wurde die Anzeige auch 16 Jahre später im Internet noch gefunden, wenn bei Google der Name des Spaniers eingegeben wurde. Der Betroffene verlangte deshalb von der spanischen Datenschutzbehörde, Google anzuweisen, seinen Namen unverzüglich zu löschen – mit Erfolg.

Der Europäische Gerichtshof hat dem Kläger Recht gegeben. Die Aufnahme einer Internetseite und der darin über eine Person enthaltenen Informationen in die Trefferliste einer Suchmaschine erleichtere die Informationssuche für Internetnutzer erheblich und spiele daher eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der Information. Gerade die Anzeige in der Trefferliste stelle einen stärkeren Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens der betroffenen Person dar, als die Veröffentlichung durch den Herausgeber der Internetseite selbst. Ein Betroffener habe Anspruch darauf, dass auch wahrheitsgemäße Informationen nach einer gewissen Zeit "vergessen" werden. Anders verhalte es sich nur dann, wenn eine Abwägung ergibt, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nach wie vor überwiegt.

Neu ist das nicht. Der Bundesgerichtshof hatte bereits im Jahr 2009 ähnlich entschieden. Seinerzeit hatte der Mörder des Schauspielers Walter Sedlmayr sich dagegen gewehrt, dass er auch nach Verbüßen seiner Haftzeit und damit 15 Jahre nach der ersten Berichterstattung über gängige Suchmaschinen nach wie vor im Online-Archiv einer Tageszeitung namentlich erwähnt wurde. Auch hier hat der Bundesgerichtshof grundsätzlich festgehalten, dass ein Löschungsanspruch besteht, soweit das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinter dem Interesse des Betroffenen zurückbleibt, sein Persönlichkeitsrecht und seine Anonymität gewahrt zu wissen. Nur hatte der Bundesgerichtshof im konkreten Fall gegen den Kläger entschieden, weil die Öffentlichkeit angesichts der Schwere des Falls und seiner Bedeutung auch viele Jahre später noch daran interessiert sei, den Namen des Täters zu erfahren.

Ein Kommentar von Tobias Strömer

Tobias Strömer ist Rechtsanwalt aus Düsseldorf, unter anderem mit den Schwerpunkten Marken- und Persönlichkeitsrecht.

Letztlich hat der Europäische Gerichtshof deshalb eigentlich nur die in Deutschland bereits geltende Rechtslage bestätigt. Aber was bedeutet das für Betroffene? Es bleibt zunächst einmal dabei, dass natürliche Personen – anders als Kapitalgesellschaften – nur dann in Beiträgen namentlich erwähnt werden dürfen, wenn sie zugestimmt haben, das Gesetz es so vorsieht oder datenschutz- und persönlichkeitsrechtliche Belange hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurücktreten.

Gesetzlich gestattet ist etwa die namentliche Erwähnung in einem im Internet abrufbaren Telefon- oder Branchenbuchverzeichnis. Zulässig ist es im Rahmen einer aktuellen Berichterstattung der Presse auch dann, Personen namentlich zu nennen, wenn die Identität des Betroffenen für das Verständnis eines Beitrags unbedingt erforderlich ist. Auch hier muss aber bereits eine Abwägung stattfinden und geprüft werden, ob es wirklich nötig ist, eine Person aus der Anonymität in die Öffentlichkeit zu zerren.

War die Veröffentlichung einmal zulässig, bleibt sie es nur so lange, wie das Informationsinteresse der Öffentlichkeit anhält. Bei einer Berichterstattung über Bagatelldelikte weitgehend unbekannter Personen dürfte das zur namentlichen Berichterstattung erforderliche Interesse bereits nach kurzer Zeit, möglicherweise schon nach einigen Monaten, schwinden. Erst nach vielen Jahren wird sich die Öffentlichkeit dagegen nicht mehr für Straftaten oder Insolvenzen von Personen interessieren, die sich selbst ins Licht der Öffentlichkeit gedrängt haben. Es kommt also immer auf eine Einzelfallabwägung an.

Grundsätzlich gilt für den Betreiber einer Website allerdings, dass er ohne Einwilligung des Betroffenen unbedingt davon absehen sollte, den Namen natürlicher Personen zu veröffentlichen, wenn das zum Verständnis des Beitrags nicht unbedingt erforderlich ist. Wird er später aufgefordert, Namen zu löschen, sollte er das im Zweifel tun.

Wer sich bei Google namentlich in Verbindung mit unangenehmen Wahrheiten findet und das unterbinden möchte, sollte den Suchmaschinenbetreiber unter Hinweis auf die neue Entscheidung auffordern, den Eintrag in der Trefferliste zu löschen. Kommt Google der Aufforderung nicht nach, wäre gegebenenfalls gerichtlich zu prüfen, ob eine Löschungsverpflichtung besteht.

Das alles gilt selbstverständlich nur für die namentliche Nennung im Zusammenhang mit wahrheitsgemäßen Angaben. Die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen über eine natürliche Person ist ohnehin immer unzulässig. (jo)