Zweifel am Roboterauto

Ein Praxistest der in Serienfahrzeugen eingesetzten Automatikbremsen zeigt, dass autonomes Fahren vielleicht doch noch etwas Zeit braucht.

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Von
  • Martin Kölling

Ein Praxistest der in Serienfahrzeugen eingesetzten Automatikbremsen zeigt, dass autonomes Fahren vielleicht doch noch etwas Zeit braucht.

Der jüngste Hype in der Fahrzeugbranche sind wahre Automobile – also wirklich selbst fahrende Wagen, im Volksmund gerne auch Roboterautos genannt. Nicht nur Google fährt mehrere davon in Kalifornien spazieren, die meisten großen Hersteller werkeln an eigenen Systemen. Und der Gesetzgeber wird zunehmend aktiv, um den Robotern auch regulativ den Weg zu bereiten. In einem ersten Schritt hat die Wiener Straßenverkehrskonvention von 1968 bereits die Regel geändert, dass der Fahrer jederzeit in der Lage sein muss, das Auto zu beherrschen. Nun sollen auch autonome Fahrsysteme zulässig sein, die der Fahrer aber jederzeit stoppen kann.

Und schon schießen Spekulationen ins Kraut, dass es vielleicht schon bis 2020 dazu kommen könnte, dass Autos unter bestimmten Umständen selbst fahren, während der Fahrer sich entspannt zurücklehnt. Dabei ist das nur der erste Schritt. Ein dickes Bündel an Problemen müssten die Regierungen weltweit lösen, damit das auch nach Recht und Gesetz möglich wird.

Allerdings: Ein Praxistest der aktuellen, in Serienfahrzeugen eingesetzten Sicherheitssysteme nährt meine Einschätzung, dass die Roboterautos vielleicht doch noch weiter von unseren Straßen entfernt sind, als viele sich wünschen.

Das japanische Autofachmagazin "Nikkei Automotive Technology" hat die automatischen Bremssysteme von neun Autoherstellern getestet. Und nur Subaru und Volvo vermieden Kollisionen mit Autos und Fußgängern so gut, dass sie ein AAA-Rating bekamen. Aber zu 100 Prozent sicher waren auch sie nicht. Nissan und BMW fuhren ein AA ein, Toyota, Suzuki, Daihatsu, Honda und VW ein einfaches A.

Eines der für mich interessanten Ergebnisse: Ohne Auge geht es nicht. Der Hauptgrund für die Unterschiede ist demnach die technische Basis der jeweiligen Systeme. Subaru nutzte eine Stereokamera. Dank moderner Bilderkennungsverfahren ermöglicht dies schon recht zuverlässig, nicht nur Autos, sondern auch Fußgänger zu erkennen. Der Subaru bremste für Autos bei 50 km/h und für Fußgänger bei 40 km/h noch rechtzeitig ab.

Der Volvo kombiniert einen Millimeterwellenradar mit ein einäugigen Kamera und Infrarotlasern, doch die maximale Geschwindigkeit für eine Unfallvermeidung sank damit in beiden Fällen um jeweils zehn km/h. Nissan und BMW setzten in den getesteten Modellen nur auf einäugige Kameras, die ganz offenbar die Aufgabe noch nicht ganz so fehlerfrei erledigen wie die zweiäugigen Modelle. Die anderen Hersteller nutzten entweder nur Radar oder Laser.

Und damit komme ich zum zweiten Punkt: Akzeptanz, sowohl gesetzlich als auch von den Menschen. Die Prototypen der Hersteller sind natürlich weiter als die marktüblichen Modelle. Man kann davon ausgehen, dass über die kommenden Jahre sich auch die Technik in Großserienmodellen verbessern wird. Aber wird das Niveau an Zuverlässigkeit und Sicherheit ein akzeptables Maß erreichen? Ich hege meine Zweifel, dass Roboterautos die Hürde rasch überwinden werden.

Ein Grund ist technischer Natur. Roboterautos brauchen Back-up-Systeme, so dass sie auch dann noch fehlerfrei funktionieren, wenn ein System ausfällt. Aber erstens steigt mit jedem automatischen System der Aufwand, die Sicherheit der Systeme zu testen. Back-ups erhöhen den Bedarf an gefahrenen Kilometer wohl noch. Zweitens stellt sich grundsätzlich die Frage, wie viel Sicherheitsreserve wir wollen? Vielleicht gibt es in der Industrie, bei Gesetzgebern und der Öffentlichkeit schon einen Konsens. Aber gehört habe ich davon noch nicht. Und drittens stellen wir an Maschinen weit höhere Ansprüche als an uns fehlbare Menschen.

Vielleicht werden die Autos schon bald besser bremsen können als die meisten Fahrer. Aber bei Maschinen liegt unsere Fehlertoleranz bei nahe Null, aus einem einfachen Grund: der Frage der Haftung. Einen Menschen können wir zur Rechenschaft ziehen, mit Bußgeldern belegen, in den Knast stecken, auf Schadenersatz verklagen. Aber einen Roboter? Und wenn wir den Roboterbesitzer oder die Hersteller in die Pflicht nehmen? Wer will schon für das Verhalten einer Maschine gerade stehen, die er nicht (mehr) kontrollieren kann? Es wird Lösungen geben, sicherlich. Aber ich habe den Glauben verloren, dass es noch in dieser Dekade dazu kommt. (bsc)