Europawahl 2014: AfD über 6 Prozent, leichter Zugewinn für Piraten [3. Update]

In Deutschland ist die Wahlbeteiligung zur Europawahl deutlich angestiegen. CDU/CSU und FDP erleiden Stimmenverluste, die deutschen Piraten können voraussichtlich einen Abgeordneten entsenden. Insgesamt können in Europa rechte Parteien zulegen.

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Bei der Europawahl in Deutschland haben CDU/CSU Stimmen verloren, während sich die SPD deutlich verbessern konnte. Die AfD kommt zu ihrem ersten Antritt bei der Wahl zum EU-Parlament nach der Hochrechnung von der ARD 19.20 Uhr auf über 6 Prozent.

CDU/CSU kommen demnach auf 35,6 Prozent gegenüber 37,9 vor fünf Jahren. Die SPD verbesserte sich von 20,8 auf 27,2 Prozent. Die Grünen bekamen 10,9 Prozent gegenüber 12,1 Prozent im Jahr 2009, die Linke blieb bei 7,5 Prozent, die FDP rutschte von 11 auf 3,2 Prozent ab.

Die Piratenpartei, die vor fünf Jahren 0,9 Prozent der Stimmen bekam, holte sich 1,3 Prozent. Die AfD schafft auf Anhieb 6,8 Prozent. Die Wahlbeteiligung stieg von 43,3 Prozent auf rund 48 Prozent.

Von den 96 Sitzen der Deutschen im EU-Parlament bekommen CDU/CSU schätzungsweise 35, die SPD 26, die Grünen 11, die FDP 3, die Linke 7, die AfD ebenfalls 7, die Freien Wähler 2, die Piratenpartei, die Tierschutzpartei, die Familienpartei, die ÖDP und die NDP jeweils einen Sitz.

Europawahl 2014

Das Europaparlament in Straßburg

Die Bürger der Mitgliedsstaaten der EU wählten zwischen dem 22. und 25. Mai 2014 (in Deutschland am 25. Mai) zum achten Mal das Europäische Parlament. In Deutschland galt dabei erstmals keine gesetzlich festgelegte Hürde für einen Mindestanteil an Stimmen, die eine Partei erreichen muss, um Abgeordnete ins Parlament zu schicken. Seit dem Vertrag von Lissabon hat das Europäische Parlament einige Kompetenzen hinzugewonnen.

[Update 26.05.2014 11:52]

Die Piraten wollen nach einem enttäuschenden Ergebnis bei der Europawahl ihre innerparteiliche Debattenkultur ändern. "Interne Probleme sollte man auch intern lösen", sagte Parteichef Thorsten Wirth am Montag in Berlin. Die im Netz sehr emotional ausgetragenen Querelen hätten dem Ansehen der Partei geschadet.

Künftig soll es eine ständige Mitgliederversammlung im Internet geben, die eine sachlichere Meinungsbildung möglich machen soll. «Ob das ein Allheilmittel ist, ich weiß es nicht», schränkte Wirth ein.

Die Piraten hatten bei der Europawahl 1,4 Prozent der Stimmen bekommen, angestrebt waren mehr als drei Prozent. «Ich würde die Gefühlslage mit einem Wort beschreiben: Ernüchterung», sagte Wirth. Die Piratenpartei stellt mit der 27-jährigen Julia Reda künftig eine Abgeordnete im Europaparlament.

[Update 26.05.2014 07:58]

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis in Deutschland kommen CDU/CSU bei den Europawahlen auf 35.3 Prozent (zuletzt 37,9 Prozent), die SPD auf 27,3 Prozent (zuletzt 20,8 Prozent), Grüne auf 10,.7 Prozent (12,1 Prozent), die FDP auf 3,4 Prozent (11 Prozent) und die Linke auf 7,4 Prozent (7,5 Prozent). Die AfD kommt auf 7 Prozent).

Aus Deutschland sind aufgrund der weggefallenen Prozenthürde einige Kleinparteien neu im Europaparlament: die Freien Wähler erreichen 1,5 Prozent, die Tierschutzpartei 1,2 Prozent, die Familienpartei 0,7 Prozent, die Piratenpartei 1,4 Prozent, die ÖDP 0,6 Prozent, die NPD 1 Prozent und "Die PARTEI" 0,6 Prozent. Diese Parteien entsenden jeweils einen Abgeordneten ins Europaparlament.

[Update 26.05.2014 07:45]

Kein dramatischer Rechtsruck in Europa, aber Frankreichs Rechtsextreme im Höhenflug: Bei der Europawahl haben Kritiker und Gegner der EU in einigen Ländern teils starke Zugewinne erzielt. In Frankreich, einem Mutterland der europäischen Bewegung, gelang es der rechtsextremen Front National, als stärkste politische Kraft jede vierte Stimme zu gewinnen.

Europas Rechte profitierten teils vom Frust über die EU-Bürokratie und einer schlechten Wirtschaftslage mit hoher Arbeitslosigkeit. Harte Sparprogramme der Regierungen nach der Finanzkrise und Ängste vor mehr Zuwanderung stärkten nationale Kräfte.

Der befürchtete dramatische Rechtsruck in ganz Europa dürfte aber ausgeblieben sein. Prozentual hohe Resultate bringen in kleinen Ländern nur wenig Sitze. Laut ARD-Schätzungen könnte der rechte Flügel aus Populisten, Rechtsextremen und EU-Kritikern im neuen Europa-Parlament auf 80 bis 90 der insgesamt 751 Sitze kommen.

Vor der Wahl waren Gespräche führender Rechtspopulisten zur Bildung einer einheitlichen Rechtsfraktion weitgehend gescheitert. Dennoch könnte mit ihren Erfolgen die Mehrheitsfindung im zersplitterten EU-Parlament schwieriger werden. Eine Länder-Übersicht:

Deutschland: Für die rechtsextreme NPD, die etwa ein Prozent bekommt, zieht Ex-Parteichef Udo Voigt als einziger Abgeordneter ins Europaparlament ein.

Frankreich: Die rechtsextreme Front National hat die Europawahl mit über 25 Prozent klar gewonnen – vor fünf Jahren waren es noch 6,3 Prozent. Die Sozialisten des französischen Präsidenten François Hollande wurden als dritte Kraft abgestraft. Hollande dürfte nun bei seinem Reformkurs noch mehr Gegenwind bekommen - das könnte auch für Europas wichtige Achse Berlin-Paris Folgen haben. FN-Chefin Marine le Pen fordert schon, Hollande müsse sich Neuwahlen stellen.

Niederlande: In den Niederlanden hatte schon am Donnerstag überraschend der Rechtspopulist und Europaskeptiker Geert Wilders eine deutliche Schlappe erlitten.

Großbritannien: Auf der Insel wurde mit einem starken Abschneiden der rechtspopulistischen Unabhängigkeitspartei UKIP von Nigel Farage gerechnet, die einen Austritt des Landes aus der EU anstrebt. Die Briten verhalfen der UKIP vorläufigen Ergebnissen zufolge zu großen Zugewinnen. Die Partei bekam gut 27 Prozent der Stimmen, bei der Europawahl 2009 waren es noch 16,5 Prozent. Bleibt es dabei, würde sie die regierenden Konservativen und die oppositionelle Labour-Partei hinter sich lassen.

Italien: Nach ersten TV-Prognosen kam die europaskeptische Fünf-Sterne-Bewegung von Beppo Grillo bei ihrer ersten Europawahl auf rund 26,5 Prozent der Stimmen. Sie ist keine extreme Gruppe, punktete bei den Italienern in Umfragen aber mit der Forderung nach radikalen Reformen in Brüssel. Die Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD) des europafreundlichen Regierungschefs Matteo Renzi können laut Nachwahlbefragungen die Europa-Kritiker aber klar abhängen und kommen auf 29,5 bis 33 Prozent

Griechenland: Der Beinahe-Staatsbankrott, wachsende Armut sowie die als Spardiktat empfundenen Reformprogramme aus Brüssel und des Währungsfonds in Washington haben Radikalen Auftrieb gegeben. Die rechtsextreme und antisemitische Partei "Goldene Morgenröte" wurde laut Hochrechnung mit 9,3 Prozent drittstärkste Kraft.

Österreich: Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) kann an den Erfolg bei der nationalen Parlamentswahl anknüpfen und kommt auf 19,5 Prozent - ein Zuwachs von fast sieben Prozentpunkten für die Populisten.

Schweden: Die rechtspopulistischen "Sverigedemokraterna" (Schwedendemokraten) ziehen nach dem vorläufigen Endergebnis mit 9,9 Prozent und zwei Abgeordneten zum ersten Mal ins Europaparlament ein.

Dänemark: Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei ("Dansk Folkeparti") ist stärkste Kraft geworden. Nach einer Prognose bekam sie 23,1 Prozent und drei Sitze im EU-Parlament.

Finnland: Als "Wahre Finnen" wurden die Rechtspopulisten bekannt, jetzt hat es unter dem Namen "Basisfinnen" laut Prognosen für 12,8 Prozent und zwei Sitze gereicht. (anw)