Fossile Energieträger bleiben Eckpfeiler der globalen Versorgung

Mit der Energiewende sollen erneuerbare Träger in Deutschland eine Schlüsselrolle übernehmen. Weltweit gesehen bilden jedoch Kohle, Öl und Gas noch auf Jahrzehnte hinaus das Rückgrat der Versorgung.

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Von
  • Eckart Gienke
  • dpa

Die Energiewende in Deutschland ist nicht nur eine Reaktion auf die Atomkatastrophe von Fukushima. Sie soll auch helfen, die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung umzusetzen. Dazu gehört, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Doch selbst wenn dies bei uns gelingen sollte: Die weltweiten Trends im Energiesektor laufen in die andere Richtung.

Zwei Drittel der globalen CO2-Emissionen gehen auf den Energiebedarf zurück – und dieser steigt in den nächsten Jahren weiter kräftig an. Auf erneuerbare Träger entfällt nur die Hälfte des Wachstums. Das ergibt sich aus Studien und Szenarien verschiedener Energieunternehmen und multinationaler Organisationen zum Thema.

BP-Prognose

(Bild: BP)

2012 verbrauchte die Menschheit 12,5 Milliarden Tonnen Öläquivalente – das sind alle Energieträger umgerechnet auf Öl. Rund 86 Prozent des globalen Energieverbrauchs entfielen dabei auf Öl, Gas und Kohle. Bis zum Jahr 2035 steigt der Verbrauch laut einer BP-Prognose jährlich um 1,5 Prozent, das macht bis dahin einen Gesamtzuwachs von 41 Prozent.

Es ergeben sich Verschiebungen zwischen Regionen und Energieträgern. In der Summe wachsen die Erneuerbaren am schnellsten, der Ölverbrauch legt nur noch wenig zu. "Insgesamt jedoch wird die weltweite Energienachfrage weiterhin überwiegend durch fossile Brennstoffe gedeckt", schreibt die Internationale Energieagentur (IEA).

Mehrere globale Mega-Trends, die von der deutschen Politik nicht zu beeinflussen sind, treiben den Energieverbrauch unvermindert an:

  • Die Weltbevölkerung wächst weiter, von heute rund sieben Milliarden Menschen auf acht Milliarden bis neun Milliarden in 20 Jahren – je nach Studie. Sie verbrauchen Energie. Etwa zwei Milliarden Menschen, vor allem in Afrika, haben noch keinen Zugang zu kommerzieller Energie. Wenn sich ihre Lebensumstände bessern sollten, kommen sie als Verbraucher dazu.
  • Immer mehr Menschen leben in Städten – mittlerweile mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, mit steigender Tendenz. Ein Städter verbraucht mehr Energie als ein Mensch auf dem Land. Ein immer höherer Anteil der Primärenergie wird zur Stromproduktion eingesetzt.
  • Der Wohlstand in den Schwellenländern nimmt tendenziell zu, die Armut nimmt ab. Das steigert den Konsum und den Energieverbrauch. Allein die Zahl der Autos dürfte sich bis 2035 mehr als verdoppeln, von heute 1,1 Milliarden auf 2,3 Milliarden. 130 (heute 20) von 1000 Indern werden dann ein Auto haben und 360 (heute 80) von 1000 Chinesen.
  • Mit der Bevölkerung steigt auch die Wirtschaftsleistung. Das globale Wachstum wird in den nächsten 20 Jahren den meisten Studien zufolge mehr als drei Prozent betragen. Das heißt: mehr Fabriken, mehr Dienstleistungen, mehr Verkehr, mehr Energieverbrauch. Der billigste und verfügbarste Energieträger weltweit ist Kohle, deren Verbrauch stärker zunimmt als der Ölkonsum. Noch stärker allerdings wächst der Verbrauch von Gas, das Öl in einigen Bereichen ersetzt.

Dagegen wirken einige Entwicklungen, die den Verbrauch fossiler Energien bremsen. Dazu zählt vor allem ein effizienterer Energieeinsatz, der am meisten bringt und unter Konkurrenzbedingungen auch am leichtesten zu verwirklichen ist. Ohne eine verbesserte Effizienz würde sich der Energieverbrauch bis 2040 verdoppeln.

Aber auch die Entwicklung der erneuerbaren Träger hilft, fossile Energien zu sparen. Sie weisen das größte Wachstum auf, doch ihr Anteil an der globalen Versorgung steigt bis 2035 nur von zwei auf sieben Prozent. In 20 Jahren wird die Welt knapp 18 Milliarden Tonnen Öläquivalente verbrauchen. Davon entfallen je rund 27 Prozent auf Öl, Kohle und Gas – also zusammen 81 Prozent gegenüber 86 Prozent heute.

Was heißt das für den CO2-Ausstoß und für die Klimapolitik? Bis 2035 werden die Kohlendioxid-Emissionen aus dem Energiesektor jedes Jahr um 1,1 Prozent steigen – geringer als der Energieverbrauch insgesamt, aber mehr als von Klimaforschern gefordert. Um den weiteren CO2-Ausstoß zu bremsen, müsste die Energieerzeugung weltweit umgebaut und am besten auf Kohle ganz verzichtet werden. Das ist kaum realistisch.

"Die energiebezogenen CO2-Emissionen steigen bis 2035 um 20 Prozent an", schreibt die IEA. "Damit würde sich die Welt weiterhin auf einen langfristigen durchschnittlichen Temperaturanstieg von 3,6 Grad Celsius zubewegen, der weit über der international vereinbarten Zwei-Grad-Grenze liegt." Die CO2-Emissionen würden 2035 doppelt so hoch liegen wie 1990. Die deutsche Energiewende kann daran nichts ändern, denn die wesentlichen Entwicklungen vollziehen sich außerhalb Europas. Obwohl Deutschland ein starkes Industrieland ist, beträgt sein Anteil am globalen Energieverbrauch gerade einmal 2,5 Prozent. (anw)