Freie Inhalte im Netz

Die Creative-Commons-Initiative feiert ihren fünften Geburtstag – in Zeiten immer restriktiverer Anwendung von Urheberrechten.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andrea Müller
  • Dr. Oliver Diedrich

Die Creative-Commons-Initiative wurde letzte Woche fünf Jahre alt und Tausende Unterstützer trafen sich zu Partys rund um den Erdball. Die Bewegung, die sich für ein flexibleres Copyright einsetzt, will Inhalte in maschinenlesbarer Form mit erweiterten Nutzungsrechten ausstatten und so die Infrastruktur für eine freie Kultur bilden.

Die von der Creative-Commons-Initiative herausgegebenen Lizenzen gibt es, im Gegensatz zur GNU Free Documentation License GFDL), in mehreren Abstufungen: Der Urheber eines Werks kann sich beispielsweise entscheiden, ob er auch eine kommerzielle oder nur die private Nutzung seines Werks erlauben will, ob andere es verändern dürfen und ob ein Bearbeiter das neue Werk unter dieselbe Lizenz stellen muss. Seit der Gründung der Initiative werden die Creative-Commons-Lizenzen immer öfter eingesetzt, unter anderem, weil sie dem Wesen des freien Mediums Internet Rechnung tragen. Die dreiteilige Artikelserie Friede, Freude und freie Eierkuchen-Rezepte auf heise open hat zahlreiche Beispiele für freie Inhalte im Web zusammengestellt. Liebhaber von Filmen und Musik kommen dort genauso auf ihre Kosten wie wissbegierige Studenten, die für ihre Diplomarbeit recherchieren.

Trotzdem feiern nicht nicht alle mit. Bei dem alltäglichen Verwertungsrechtewahnsinn bekommt manch einer nicht mal mit, dass es so etwas wie freie Inhalte überhaupt noch gibt. Den Internet-Nutzern von heute präsentiert sich das WWW nicht mehr als Welt schrankenloser Freiheit, sondern als hübsch bepflanzte riesige Parkanlage mit jeder Menge (unsichtbaren) Verbotsschildern. Dass es nicht okay ist, die Website des eigenen Fotostudios mit aus dem Netz zusammengesuchten Bildern nichtsahnender Kollegen zu gestalten, dürfte jedem Internet-Nutzer klar sein, doch es gibt Stolperfallen, vor denen auch ein normal ausgeprägtes Rechtsempfinden nicht schützt.

Wer denkt, er könne einfach so für einen Verkauf auf Ebay ein Produktbild vom Hersteller des angebotenen Gegenstandes benutzen, bei dem wird die anwaltliche Abmahnung durch eben jenen Hersteller schneller eintreffen als die ersten Gebote. Ist man so leichtsinnig, Kartenausschnitte eines Stadtplandienstes für eine Wegbeschreibung auf der Vereins-Homepage zu verwenden, kann das teuer werden. Noch skurriler wird es, wenn Anbieter gar das Setzen von Links erst nach dem Erwerb einer Lizenz erlauben und eine normale Verlinkung mit technischen Mitteln unterbinden; das Internet wird so ad absurdum geführt.

Erst letzte Woche machte die vor kurzem gegründete VG Medien von sich Reden. Die Verwertungsgesellschaft, deren Gesellschafter zu je 50% die ProSiebenSat1 Media AG und die RTL Television GmbH sind, befasst sich mit den Programmvorschaudaten von TV- und Radiosendungen. Die Kurztexte verbunden mit den Sendezeiten sind Werke im Sinne des Urheberrechts und Anbieter von elektronischen Programmführern (EPGs) sollen für die Nutzung der Daten zahlen. Das betrifft zum Beispiel Anbieter digitaler Videorekorder und elektronische Programmzeitschriften. Die Entwickler des unter der GPL stehenden TV-Browser haben daher angekündigt, ab Ende diesen Jahres die Daten von 16 Fernsehsendern aus der elektronischen Fernsehzeitung zu entfernen, unter anderem die von RTL, Sat1, Pro7 und Vox. Ob sich die Gesellschafter mit der Gebührenforderung für Werbetexte, an deren Verbreitung ihnen eigentlich gelegen sein müsste, einen Gefallen tun, sei dahingestellt, doch warum auch für Anbieter nicht kommerzieller Programme keine Ausnahme gilt, ist schwer nachzuvollziehen.

Aber es gibt ja noch Creativ Commons, und neben vielen Privatanwendern entdecken auch immer mehr Firmen und Gewerbetreibende die Creative-Commons-Lizenzen für sich. Fotografen haben bei Diensten wie Flickr die Möglichkeit, Ihre Werke unter eine solche Lizenz zu stellen, damit die Verbreitung der Fotos zu fördern und den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Selbst bekannte Größen sehen ein, dass freie Verwertungsrechte dem Lizenzgeber mehr bringen als das gute Gefühl etwas für die Allgemeinheit getan zu haben. So stellt der NDR, der übrigens nicht Mitglied der VG Medien ist, ausgewählte Beiträge des Medienmagazins "Zapp" und der Satire-Sendung "Extra 3" unter einer Creative-Commons-Lizenz zur privaten Nutzung zur Verfügung. Dem Sender geht es vor allem darum, über diesen Weg auch eine junge Zielgruppe mit seinem Angebot zu erreichen. Durch die Wahl der CC-Lizenz würde man den veränderten Nutzungsgewohnheiten Rechnung tragen, erklärte Fernsehprogrammdirektor Volker Herres.

Das US-amerikanische Wissenschaftsmagazin Nature wird künftig Artikel zur Genom-Forschung unter einer Creative-Commons-artige Lizenz stellen. Diese Artikel dürfen für nicht-kommerzielle Zwecke weitergegeben werden – ein wichtiger Schritt des großen Wissenachaftsmagazins angesichts der Diskussionen um Open Access und den freien Zugang zu dfern Ergebnissen von (vielfach öffentlich finanzierten) Forschung.

Nature und der NDR sind zwei Beispiele für immer mehr Anbieter, die nicht versuchen, das Internet an alte Regeln anzupassen, sondern neue Wege suchen, um von seinen Stärken zu profitieren.

Übrigens: Zumindest an Weihnachten müssen Sie sich keine Gedanken um Verwertungs- und Urheberrechte machen – die Texte und Melodien der meisten Weihnachtslieder sind aufgrund ihres Alters gemeinfrei. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten. (amu)


Siehe dazu auch:

Artikelserie zu Freien Inhalten im Web auf heise open:

Teil 1: Freie Musik, Filme und Bücher
Teil 2: Freie Forschung, Lehre und Bildung
Teil 3: Spiel, Spaß, Hobby und Kultur
(odi)