EU-Generalanwalt: Bibliothek darf einzelne Werke digitalisieren

In einem Gutachten für den Europäischen Gerichtshof vertritt der Generalanwalt die Auffassung, eine Bibliothek dürfe einzelne Werke auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers digitalisierte Kopien zum Lesen bereitstellen. Das Verfahren hat Pilotcharakter.

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Von
  • Christian Kirsch

Auslöser des Rechtsstreit waren digitale Kopien dieses Buchs.

(Bild: www.ulmer.de)

Darf eine Bibliothek ein Werk aus ihrem Bestand digitalisieren und auf Terminals zum Lesen anbieten, obwohl der Rechteinhaber das nicht gestattet? Darum geht es in einem Streit zwischen der TU Darmstadt und dem Verlag Eugen Ulmer KG, der inzwischen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH, Az. C-117/13) gelandet ist. Auslöser ist das Buch Einführung in die Neuere Geschichte von Winfried Schulze: Die Uni scannte es und stellte es ihren Besuchern zum Lesen auf Terminals zur Verfügung. Dort konnten sie auch Ausdrucke anfertigen und das Buch auf einen USB-Stick kopieren. Der Verlag wollte der Uni das digitale Kopieren verbieten und bot ihr alternativ Lizenzen für eine eBuch-Version an, worauf sie jedoch nicht einging.

In einem Rechtsgutachten vertritt der Generalanwalt beim EuGH nun die Meinung, EU-Staaten dürften Bibliotheken erlauben, Werke gegen den Willen des Rechteinhabers zu digitalisieren, etwa wenn sie alt und empfindlich sind oder wenn zahlreiche Studierende nur auf wenige Exemplare zugreifen können, sodass diese durch das Kopieren beschädigt werden könnten. Diese Kopien dürften an speziellen Leseplätzen genutzt werden. Das Angebot eines Lizenzvertrages ändere daran nichts. Etwas anderes sei es, wenn zwischen den Parteien bereits ein solcher Vertrag besteht.

Auch das Ausdrucken solcher digitalisierten Werke könne im Rahmen der Privatkopie zulässig sein, da man in diesem Zusammenhang nicht von einer massenhaften Vervielfältigung ausgehen könne. Etwas anderes sei allerdings das Kopieren der digitalen Version etwa auf einen USB-Stick: Das sei für eine Privatkopie zwar nützlich, aber nicht erforderlich und gehe über die den Bibliotheken zugestandenen Sonderrechte hinaus.

Das Verfahren hat Pilotcharakter: Die Uni Darmstadt wird vom Deutschen Bibliotheksverband und dem European Bureau of Library, Information and Documentation unterstützt. Hinter den Verlag hat sich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gestellt.

In der Regel folgt der EuGH den Gutachten der Generalanwälte. Der vorliegende Fall ist eine "Vorabentscheidung": Dabei legt der Gerichtshof das EU-Recht verbindlich für alle Mitgliedsstaaten aus. Er spricht jedoch kein Urteil; das bleibt der nationalen Instanz vorbehalten, in diesem Fall dem Bundesgerichtshof. (ck)