Bienenfreundliches Pestizid

Forscher an der Newcastle University haben ein neuartiges biologisches Pflanzenschutzmittel entwickelt, das gut wirken soll, die wertvollen Honigsammler aber nicht angreift.

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Forscher an der Newcastle University haben ein neuartiges biologisches Pflanzenschutzmittel entwickelt, das gut wirken soll, die wertvollen Honigsammler aber nicht angreift.

Noch ist nicht abschließend geklärt, was die sogenannte Colony Collapse Disorder (CCD), auf Deutsch auch Völkerkollaps genannt, tatsächlich auslöst. Klar ist nur, dass dem Syndrom nach wie vor Jahr für Jahr Abertausende Honigbienen zum Opfer fallen. So gingen in Deutschland in vier Jahren 12 Prozent der im deutschen Bienenmonitoring erfassten Völker ein. In anderen Ländern ist es noch schlimmer, hier kommt es zu Bestandsverkleinerung um 20 und mehr Prozent pro Jahre. In manchen Teilen Nordamerikas sollen gar 80 Prozent aller Bienenvölker an CCD eingegangen sein.

Das Bienensterben ist nicht nur für die Natur schlecht, sondern auch die Landwirtschaft, denn die Tiere sind für das Pflanzenwachstum aufgrund ihrer Bestäubungsaufgabe überlebenswichtig. Egal ob Erdbeere, Gurke, Apfel oder Sojabohne, stets spielt die Honigbiene eine wichtige Rolle. Auch für die Viehzucht bedeutende Pflanzen werden zum Teil von Honigbienen bestäubt.

Bienenvolk: Das Sterben der Honigsammler scheint nur schwer zu stoppen.

(Bild: uSDA)

Neben dem Befall durch Parasiten wie der rabiaten Varroamilbe, genetischen Veränderungen und Mutationen sowie einer Mangelernährung gelten auch Pflanzenschutzmittel als potenzielle Verursacher von CCD. Hierbei wird in mehrere Richtungen ermittelt, insbesondere besonders viel verwendete Stoffe gelten als problematisch.

Wissenschaftler an der Universität von Newcastle haben als Reaktion auf das Bienensterben nun ein neuartiges Biopestizid entwickelt, das besonders "bienenfreundlich" sein soll. Die Bestandteile sollen zwar gegen die wichtigsten Schädlinge auf den Feldern wirken, den Honigsammlern selbst aber nichts anhaben können. Der Stoff namens Hv1/GNA basiert auf dem Gift der australischen Trichternetzspinne sowie Lektinen aus Schneeglöckchen-Pflanzen.

Ohne Bienen wird manche Pflanze nicht befruchtet.

(Bild: USDA)

Das Pestizid ist dafür gedacht, die bislang überaus populären Neonicotinoide zu ersetzen – Insektizide, die gezielt auf das Nervensystem von Insekten wirken. Sie werden gegen zahllose bohrende Schädlinge verwendet, von der Blattlaus über Zikaden bis hin zu Käfern und Schmetterlingen, die sich über Mais, Raps, Baumwolle, Zuckerrüben und viele andere Nutzpflanzen hermachen.

Das Problem: Die Neonicotinoide scheinen zumindest indirekt auch auf die Honigbienen zu wirken, etwa, wenn sie sich lösen und in der Luft verbreiten. Sie wirken auch bei Bienen toxisch, was dazu führt, dass sie ihren Orientierungssinn verlieren und weder zum Bestäuben noch zur Rückkehr in den Stock fähig sind. Gedächtnis und Lernfähigkeit der Tiere können beeinträchtigt werden. In der EU sind drei auf Neonicotinoiden basierende Insektizide deshalb temporär verboten.

Gesunde Biene saugt Nektar.

(Bild: USDA)

Mit Hv1/GNA soll das angeblich nicht passieren. Das Team um Professor Angharad Gatehouse vom Institut für Biologie konnte zeigen, dass das Biopestizid zwar gegen bekannte Schädlinge wirkte, gegen die auch Neonicotinoide zum Einsatz kommen, doch akute und chronische Dosen des Stoffes konnten Honigbienen im Test über sieben Tage nichts anhaben. Man habe nur einen sehr kleinen Effekt auf die Überlebungsfähigkeit der Tiere festgestellt, Lernen und Gedächtnis, wichtige Faktoren für das Bienenleben, wurden nicht beeinträchtigt. Auch Larven konnte Hv1/GNA nichts anhaben.

"Wenn wir die Biodiversität der Bestäuber zerstören, wird es irrelevant sein, wie effektiv unsere Pestizide sind, weil wir dann keine Nutzpflanzen mehr haben, die es zu schützen gilt", sagt Geraldine Wright vom Honigbienen-Labor an der Newcastle University. Es seien mittlerweile umfassende Hinweise vorhanden, dass auf Neonicotinoiden basierende Pflanzenschutzmittel die Leistungsfähigkeit der nützlichen Brummer einschränke.

Das Projekt ist Teil der sogenannten Insect Pollinators Initiative, bei der Forscher aus ganz Großbritannien nach Lösungen gegen den Völkerkollaps suchen. Man habe die klare Anweisung der Regierung, bienensichere Pestizidalternativen zu entwickeln und einzuführen, so Wright. Wann Hv1/GNA auf den Markt kommen könnte, ist noch unklar. (bsc)