Das X Window System wird 30

Am 19. Juni 1984 lief der erste Prototyp des netzweiten, grafischen Fenstersystems X, das bis heute Standard auf Unix- und Linux-Systemen ist.

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Von
  • Jürgen Seeger

So selbstverständlich vernetzte Computer heute sind, in den frühen 80er Jahren des letzten Jahrhunderts erschienen die Ziele, die sich das MIT, IBM und DEC beim Projekt Athena gesetzt hatten, geradezu visionär. In einer vernetzten Rechnerumgebung sollten die Studenten von jedem Arbeitsplatz aus Zugriff auf alle Ressourcen im Netz haben. Die Benutzeroberfläche sollte einheitllich sein, unabhängig von der Hardware-Basis. Als Standard-Arbeitsplatz waren Grafik-Workstations vorgesehen, die sich durch die "drei M" qualifizierten: 1 Megabyte Hauptspeicher, 1 MIPS Rechenleistung, 1 Megapixel Bildschirmauflösung.

Die Entwickler von DEC steuerten Konzept und Implementierung des X Window Systems bei. Grundidee: die Trennung von Anwendungslogik und Benutzeroberfläche. Diese beiden Teile einer Applikation sollten nicht länger auf demselben Rechner laufen müssen.

Dass als Benutzeroberfläche nur ein grafisches Fenstersystem in Frage kam, verstand sich gut 10 Jahre nach der Vorstellung solch eines Systems in Palo Alto von selbst. Neu war die Kommunikation zwischen Anwendung und grafischer Benutzeroberfläche über das Netz – was damals nicht zwingend gleichbedeutend mit Internet oder IP war. Die Begrifflichkeiten sind anfänglich etwas verwirrend: Als X-Server wird die für Ein- und Ausgaben zuständige Software bezeichnet, mit der der Anwender zu tun hat, als X-Clients die Anwendungen selbst.

Die bis heute eingesetzte Version 11 des X Window Systems entstand bereits drei Jahre später. 1988 übernahm mit der Open Group ein Industriekonsortium die Obhut über das Fenstersystem, heute kümmert sich die X.org-Foundation um die Definition des Standards und stellt auch eine Referenzimplementierung bereit, die letzte 2012 mit Version X11R7.7.

Dienten anfangs zum Handling der Fenster einfache Window-Manager, entstanden schnell komplette grafische Benutzeroberflächen, die wiederum die anfängliche Einheitlichkeit der Bedienung konterkarierten. Das wird als einer der Gründe gesehen, warum X11 der endgültige Durchbruch zur Anbindung von Desktop-Systemen verwehrt blieb.

Bis heute ist X11 der Standard für grafische Fenstersysteme auf unixoiden Betriebssystemen, es gibt auch nach wie vor Implementierungen des X-Servers für Mac OS X und Windows. Die hauseigenen Fenstersysteme der letztgenannten sind zwar nicht netzwerkfähig, aber der Fernzugriff auf Anwendungen wird heute durch Protokolle wie RDP gelöst. (js)