.berlin, .ruhr & Co: Nutzungskonzepte für neue Top Level Domains gesucht

Anfang 2014 hat die Internetverwaltung ICANN zahlreiche neue Top-Level-Domains (TLDs) wie .berlin oder .ruhr freigeschaltet. Weitere werden folgen, damit ändert sich der Adressraum im Internet grundlegend. Eine Halbjahresbilanz.

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Von
  • Stefan Mey
Inhaltsverzeichnis

Seit Anfang des Jahres gibt es die ersten neuen Top-Level-Domains (TLD). Die Internetverwaltung ICANN hat nach zähem Ringen die ersten Adressen in die Root-Zone eingetragen. Insgesamt soll es etwa 1300 neue TLDs geben, von denen allerdings nur knapp die Hälfte öffentlich zugänglich sein wird. Bei den anderen handelt es sich um exklusive Domains von Markenherstellern.

18 öffentlich zugängliche neue Adressen soll es insgesamt im deutschsprachigen Raum geben. Sie repräsentieren einzelne Städte oder Regionen, Wirtschafts-Branchen oder haben keinen spezifischen Fokus. Als erstes wurden die Domains für Berlin und das Ruhrgebiet in die Rootzone eingetragen. Die Hauptstadt-Domain ist seit März frei verfügbar.

Bisher sind vier deutschsprachige Endungen komplett online gegangen. .berlin machte den Anfang. Etwa 140.000 Domains gibt es nach Angaben der Betreiber und Berechnungen des Dienstes Ntldstats bis heute. Damit ist die Hauptstadt-Endung nach .xyz die zweiterfolgreichste neue TLD. Wer eine Domain registriert, muss einen Wohnsitz oder eine Firmenadresse in Berlin haben, er kann aber auch auf einen Treuhänder zurückgreifen.

Neue TLD (4 Bilder)

Erfolgreiche Hauptstadt-Domain

Die Hauptstadt-Domain .berlin machte den Anfang. Etwa 140.000 Domains gibt es bis heute. Damit ist .berlin eine der erfolgreichsten neuen TLDs.

Die offizielle Endung für das Ruhrgebiet folgte wenig später am 27. März. Bis dato gibt es etwa 3400 Domains auf .ruhr. Für die Registrierung sind keinerlei formalen Einschränkungen vorgesehen.

ICANN, IANA & Co.: Die Verwaltung des Internets

Diverse Organisationen sind für die Verwaltung des Internets zuständig - die ICANN und die ihr zugeordnete IANA etwa verwalten die weltweiten IP-Adressen und die DNS-Rootzone, die IETF ist für die Protokollstandards verantwortlich. Bis vor kurzem noch bedingte sich die USA die letzte Entscheidungsgewalt aus.

Die ebenfalls schon erhältliche Adresse .immobilien zielt auf die Immobilienbranche ab. Bisher wurden 5600 Domains registriert. .immobilien ist seit dem 28. Mai für alle verfügbar, es gibt keinerlei Einschränkungen bei der Registrierung.

Mit der Domain .jetzt wollen zwei schwedische Glücksritter das deutsche Netz erobern, die Adresse ging am 4. Juni online. Die Unternehmer haben dabei den Erfolg der .nu-TLD in Schweden im Blick: .nu ist eigentlich die Länderdomain (ccTLD) des mit Neuseeland assoziierten Pazifikatolls Niue. Weil „nu" auf Schwedisch „jetzt“ bedeutet, wird die Domain dort rege genutzt. Laut Ntldstats gibt es bisher 1600 .jetzt-Domains. Auch hier gibt es keine Beschränkungen für potenzielle Domain-Inhaber.

14 deutschsprachige Top-Level-Domains stehen noch an. Darunter haben sieben Endungen einen regionalen Bezug (.hamburg, .koeln., .wien, .bayern, .nrw, .saarland und .tirol), fünf beziehen sich direkt oder indirekt auf Branchen (.haus, .reise, .reisen, .schule und .versicherung), und zwei sind eher allgemein gehalten (.kaufen und .gmbh).

Bei den meisten Endungen stehen die Termine für die öffentliche Registrierung schon fest, bis auf .tirol gehen fast alle voraussichtlich in diesem Jahr online:

Bei .gmbh ist immer noch unklar, wer die Endung betreiben darf. Es gibt fünf Bewerber, unter denen die Endung versteigert wird. Drei TLDs führen zwar allgemeine Begriffe im Namen, werden aber aller Voraussicht nach nicht frei registrierbar sein. Die Endung .kinder will Ferrero exklusiv für seine „Kinder“-Produktlinie nutzen, und vermögensberatung sowie vermögensberater soll eine geschlossene Endung der Deutschen Vermögensberatung AG werden.

Bei der Freischaltung von TLDs haben Markeninhaber stets zuerst Zugriff. Die der öffentlichen Registrierung vorgeschalteten „Sunrise“-Phasen stehen nur Firmen offen, die eine Marke in die Markendatenbank des Trademark Clearinghouse eingetragen haben. In den fakultativen Landrush-Phasen werden kommerziell besonders interessante „Premium“-Domains an den Meistbietenden versteigert. Mit Beginn der Allgemeinen Verfügbarkeit gilt dann das First-come-first-serve-Prinzip.

Viele Inhaber neuer Domains scheinen allerdings noch nicht so richtig zu wissen, was sie damit machen wollen. Viele Unternehmen haben sich zwar Domains gesichert, oft leiten die aber direkt auf die alte .de-Domain weiter. Andere haben die alten Inhalte schlicht 1:1 auf die neue Repräsentanz auf .berlin, .ruhr, .immobilien oder .jetzt kopiert. Vor allem im nicht-kommerziellen Bereich gibt es schon eigenständige Angebote, beispielsweise das Blog schoenes.berlin.

Am Ende der ersten Hälfte des TLD-Jahres 2014 zeigt sich schon eine sehr deutliche Tendenz: zwischen den einzelnen Endungen gibt es riesige Unterschiede in der Akzeptanz. .berlin dominiert klar, allerdings haben die anderen Endungen zumindest ihr Nischen-Publikum von einigen Tausend Domaininhabern gefunden. Auch wenn sich unter den neuen deutschsprachigen Endungen einige Betreiber schon liebevoll eingerichtet haben, sind die großen neuartigen Nutzungskonzepte insgesamt noch nicht zu erkennen. (vbr)