Die Woche: Viel Lärm um wenig

Auf der Projekt-Mailing-Liste von OpenSuse schlägt die Diskussion um den Vorschlag, KDE zum Standard-Desktop zu machen, hohe Wellen. Die Anwender, zu deren Wohl die Diskussion angeblich geführt wird, lässt das Ganze allerdings relativ kalt.

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Von
  • Andrea Müller

Man stelle sich vor, es ist ist Flamewar, und keiner geht hin – oder zumindest nur wenige. So geschehen letzte Woche, als ein bei openFATE (dem OpenSuse-System zur Sammlung von Anwenderwünschen) eingereichter Feature Request eine hitzige Diskussion auf der Projekt-Mailing-Liste der Distribution entfachte. Frank Karlitschek, Vorstandsmitglied des KDE e.V., hatte angeregt, KDE zum Standard-Desktop von OpenSuse zu machen. Als Grund nannte er, dass es für Linux-Neulinge zu verwirrend sei, sich bei der Installation zwischen zwei ihnen unbekannten Desktops zu entscheiden und dass KDE der beliebtere Desktop unter OpenSuse-Nutzern sei.

Der Feature Request führte zu einer heftigen Debatte auf der Projekt-Mailingliste von OpenSuse, in der die OpenSuse-Macher miteinander diskutieren. Hier meldeten sich vor allem Befürworter des Vorschlags lautstark zu Wort, während die Gnome-Fraktion sich zurückhielt. Gnome-Release-Manager Vincent Untz versuchte gar, die Wogen zu glätten und zu einem konstruktiven Gespräch zurückzufinden – vergeblich.

Auch der Beitrag von OpenSuse-Produktmanager Michael Löffler, eine weitere Diskussion würde zu nichts führen, da alle Argumente auf dem Tisch lägen, man werde den Vorschlag im OpenSuse Board diskutieren und Mitte August eine Entscheidung bekanntgeben, beendete den Flamewar nicht. Derzeit steht der Vorschlag von Andreas Jäger, Director Platform/openSUSE, im Raum: Der Installer bietet alle Desktops in alphabetischer Reihenfolge an (Gnome stünde also an oberster Stelle), KDE ist aber vorausgewählt.

Im Eifer des Gefechts scheinen die verbalen Kombattanten nicht zu bemerken, dass die Nutzer, für die sie diese Diskussion angeblich führen, der Frage relativ unemotional gegenüberstehen. Zwar stimmten bislang 473 Anwender in openFATE über den Vorschlag ab – überwiegend positiv –, es gab jedoch gerade mal 58 Kommentare, nur wenige mehr als zu dem Vorschlag, Beagle schon während der Installation deaktivieren zu können. So sehr scheint der Wunsch nach einem Default-Desktop die Anwender also nicht zu bewegen.

Die Begründung, es würde Nutzer verwirren, sich zwischen KDE und Gnome entscheiden zu müssen, trifft vielleicht auf absolute PC-Einsteiger zu, die mit dem Begriff Desktop nichts anzufangen wissen; jedoch sicher nicht auf den großen Teil der Umsteiger, die aus der Windows-Welt kommen (von erfahrenen Linuxern ganz zu schweigen). Auf die letzte c't mit einer Linux-DVD – Ausgabe 4/09 mit OpenSuse 11.1 – habe ich rund 40 Leserzuschriften mit Fragen zur Installation erhalten. 90 Prozent davon betrafen die Partitionierung und Einrichtung des Bootmanagers nur eine einzige bezog sich auf die Desktop-Auswahl.

Da gibt es wohl bei der Installation Dinge, die den Anwender weit mehr verwirren als die Frage nach der Arbeitsumgebung. Die wird sowieso bei vielen Linux-Neulingen erst lange nach der Installation entschieden. Zumindest einen kurzen Blick auf andere Arbeitsumgebungen wirft fast jeder mal und weicht dann von der Vorgabe ab, wenn ihm die Konkurrenz besser gefällt. Weit sinnvoller wäre eine Diskussion zu der Frage gewesen, inwieweit es überhaupt ergonomisch ist, im Installer Dialoge ohne Vorgabeauswahl zu verwenden – aber mit einem Streit um KDE und Gnome kann man halt für das eigene Projekt trommeln. (amu) (amu)