Zweiblättrige Windkraftanlagen erleben ein Comeback

Aktuelle Windmühlen setzten auf drei Blätter, doch die Industrie interessiert sich mittlerweile wieder für alternative Designs. Die könnten sich insbesondere im Offshore-Bereich als nützlich erweisen.

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Von
  • Peter Fairley

Aktuelle Windmühlen setzten auf drei Blätter, doch die Industrie interessiert sich mittlerweile wieder für alternative Designs. Die könnten sich insbesondere im Offshore-Bereich als nützlich erweisen.

Mehrere große Windkraftfirmen testen, ob es sinnvoll wäre, sich vom aktuellen Industriestandard, den Rotoren mit drei Blättern, für bestimmte Anwendungszwecke zu verabschieden. Stattdessen sollen neue Anlagen nur noch zwei Rotorblätter bekommen und diese dann an der windabgewandten Seite angebracht.

Das Prinzip, das in einfacher Form schon in früheren Zeiten verwendet wurde, wäre eine ingenieurtechnische Herausforderung, könnte im Offshore-Bereich aber deutliche Kostenvorteile bringen. Schätzungen zufolge könnten zweiblättrige Anlagen 20 Prozent billiger bei Herstellung und Installation sein, ohne dass weniger Strom als bei konventionellen Anlagen produziert würde.

Der chinesische Hersteller Ming Yang Wind Power, immerhin neuntgrößter Windkraftanlagenbauer der Erde, kündigte kürzlich den bislang umfangreichsten Test des aufgefrischten Zweiblattdesigns an. Die Firma will eine Anlage mit insgesamt sechs Megawatt in China bauen, die so viel Energie wie die größten kommerziellen Offshore-Systeme produzieren kann. Eine weitere soll dann schon im nächsten Jahr in norwegischen Gewässern entstehen.

Andere Firmen interessieren sich ebenfalls für die alternative Technik. Im letzten Jahr arbeiteten Hitachi und Fuji Heavy beim Bau zweier Anlagen mit jeweils zwei Megawatt zusammen. Im März sammelte zudem der niederländische Windtechnikentwickler 2-B Energy rund 45 Millionen US-Dollar ein, um zwei 6-Megawatt-Mühlen mit zwei Blättern vor Schottland zu installieren.

Der Wind auf dem offenen Meer bläst normalerweise gleichmäßiger als an Land, was ein großer Vorteil ist. Doch die Installation und Wartung dreiblättriger Offshore-Turbinen ist teuer und kostet im Schnitt doppelt so viel wie bei Anlagen an Land.

Zweiblättrige Systeme sind schon allein deshalb billiger, weil sie einen geringeren Materialaufwand bedeuten. Ein weggelassenes Blatt macht den Rotor leichter, was es wiederum erlaubt, ihn an der windabgewandten Seite des Turms anzubringen. Dadurch müssen sie weniger starke Kräfte aushalten, als das bei dreiblättrigen Rotoren der Fall wäre.

Leichte und flexible Rotoren erlauben weitere Einsparungen etwa bei Turm, Fundament und Getriebe. Der Ming-Yang-Prototyp mit einem Rotordurchmesser von 140 Metern, dem Getriebe und dem Generator soll bei sechs Megawatt Leistung nur 308 Tonnen wiegen, rund 40 Tonnen weniger als konventionelle Offshore-Anlagen vom Marktführer Siemens.

Zweiblättrige Anlagen sind auch leichter zu installieren. Während die Rotoren bei drei Blättern vor Ort montiert werden müssen, können zweiblättrige Systeme direkt mit dem Rest der Turbine vorverschraubt sein. Das Paket passt zudem leichter auf Schiffe und ist kompakt genug, um es problemlos auf den Turm zu bugsieren.

Damit Windkraft mit zwei Rotorblättern sich durchsetzen kann, müssen allerdings noch früher vorhandene, technische Probleme gelöst werden. Dazu gehört, dass die flexiblen Blätter unter bestimmten Windbedingungen abspringen und den Turbinenturm treffen können. Genau das sorgte auch dafür, dass vor 12 Jahren der Versuch der Firma Wind Turbine Company, das Design wieder in den Markt zu drücken, scheiterte. Zudem sind zweiblättrige Windkraftanlagen lauter, was im Offshore-Bereich allerdings kein direktes Problem darstellt.

Die Ingenieure versprechen, das Stabilitätsproblem mittlerweile gelöst zu haben. 2009 zeigte der Windkraftdesigner Peter Jamieson von Garrad Hassan & Partners ein Verfahren, mit dem die Rotoren im Notfall kontrolliert abbrechen können, ohne den Turm zu treffen. Laut Jamieson ließen sich mit zwei Blättern zwischen 15 und 20 Prozent sparen.

Larry Miles, Chef der Wind Turbine Company, ist da weniger optimistisch. Er glaubt nicht daran, dass die Industrie bereit ist, die Risiken zu schultern, die ein komplett neues Design mit sich bringe. Aus diesem Grund arbeitet er mittlerweile an kleinen 100-Kilowatt-Turbinen für verteilte Anwendungen, nicht mehr an Großanlagen. Dem chinesischen Windkraftriesen Ming Yang traut er trotzdem einiges zu. Die Firma habe grundsätzlich die Mittel. "Wenn jemand es kann, dann Ming Yang. Die haben genügend Substanz – und den chinesischen Markt hinter sich." (bsc)