Industrie nimmt starken Einfluss auf Ausbaupläne für Windkraft

Das niedersächsische Umweltministerium will einen neuen Leitfaden für den Ausbau der Windenergie erarbeiten - vor allem mit Hilfe von Industrielobbyisten.

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Von
  • Jürgen Kuri
Zum Thema Energiewende

Ausstieg aus der Kernenergie, ein Schwerpunkt auf erneuerbaren Energien, intelligente Stromnetze (Smart Grids), usw.: Die Energiewende, nach der Atomkatatrophe in Fukushima auch von der Union auf den Weg gebracht, hat viele Elemente. Mittlerweile werden nicht alle mit Begeisterung gesehen: Bürger protestieren gegen Windparks und Stromtrassen, wenn sie in ihrer Umgebung gebaut werden sollen. Und selbst in der Politik gibt es Zwist.

Die rot-grüne Landesregierung setzt bei der Planung des weiteren Windkraftausbaus in Niedersachsen vor allem auf Ratschläge der Industrie. Zu einem Expertenkreis sollen nach dpa-Informationen 2 Naturschützer und 14 Industrielobbyisten gehören.

Umweltminister Stefan Wenzel hält das nicht für bedenklich. Er wolle dafür sorgen, dass Positionen der Minderheit in dem Expertengremium nicht zu kurz kommen, sagte der Grünen-Politiker gegenüber dpa. "Nichts soll im Vorfeld unter den Tisch fallen."

Bisher stützen sich die Behörden bei der Standortplanung auf ein Expertenpapier. Damit will der Niedersächsische Landkreistag (NLT) regeln, dass beim Windkraftausbau die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden.

Diese Praxis will die rot-grüne Landesregierung nun per Erlass neu regeln. Er soll nicht auf den praxiserprobten NLT-Leitfaden verweisen, sondern auf Alternativen des Ministeriums, die mit Hilfe des Expertenkreises erarbeitet werden sollen. Inwieweit der neue Leitfaden auf Passagen des NLT-Expertenpapiers Bezug nehmen soll, müsse "in der gemeinsamen Arbeit zu bewerten und zu entscheiden sein", teilte das Ministerium mit.

[Update 21.07.2014 10:13]:

In dem Expertenkreis sitzt das ABC der Branche: Das sind etwa der Windanlagenprimus Enercon, Windparkentwickler, der Bundesverband Windenergie, der Wirtschaftsverband Windkraftwerke, der Energieriese RWE – und auch ein Planungsbüro, das damit wirbt, aus Gründen des Artenschutzes versagte Windparkprojekte doch noch umzusetzen.

BUND und Nabu sitzen ebenfalls in der Planungsrunde. Die Naturschutzverbände fühlen sich zwar nicht als Statisten, machen aber keinen Hehl aus ihrer Ausgangslage. "Die Arbeit eines Naturschutzverbandes stützt sich auf ehrenamtlich tätige Fachleute und ist nicht zu vergleichen mit anderen Sitzungsteilnehmern, denen personell in Gruppenstärke zugearbeitet wird", erklärte Nabu-Landesvize Ulrich Thüre.

Auch der NLT ist in dem Planungskreis vertreten. NLT-Chef Hubert Meyer sagte: "Es gibt seit vielen Jahren Diskussionen mit dem Umweltministerium über die Rechtssicherheit bei dem Thema." Das sei schließlich der Hintergrund für die NLT-eigenen Arbeitshilfen. "In sie fließen regelmäßig die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse ein – und die haben bisher vor Gericht immer Bestand gehabt."

Nach Informationen von dpa, der der jüngste Entwurf des 36 Seiten langen Erlasses vorliegt, stößt die bisherige Regelung, bei der das NLT-Papier den Ton angibt, in der Windkraftbranche auf starke Ablehnung. Die FDP im Landtag hat eine Kleine Anfrage zu dem Thema gestellt. (jk)