Pekings Online-Zensur immer schwerer zu umgehen

Mit Codewörtern umgehen Aktivisten China Zensur. Doch die Begriffe sind mittlerweile zu kryptisch, um die breite Masse zu erreichen, beklagt Jason Ng von der University of Toronto und Autor des Buches „Blocked on Weibo“.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Zum 25. Jahrestag des Massakers auf dem Tiananmen-Platz unterbanden chinesische Behörden wie üblich die Google-Suche und blockierten Schlagwörter auf sozialen Medien noch stärker als sonst. Um die Zensur zu umgehen, erfinden Dissidenten zwar immer neue Codewörter und Bilder. Doch sie haben in dem ständigen Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden, die neue Codes regelmäßig knacken, immer weniger Möglichkeiten, für die breite Masse verständlich zu bleiben, schreibt "Blocked on Weibo"-Autor Jason Ng in einem Beitrag für die August-Ausgabe von Technology Review.

„Für das Massaker-Datum 4. Juni 1989 stand zunächst etwa 8964. Später wurde es mit römischen Zahlen (VIIV) und auf Französisch (six quatre) verfremdet", führt Ng aus. "Doch selbst das kryptische zwei hoch sechs für 64 würde bereits zensiert." Der chinesische Journalist Yang Xiao fürchtet deshalb, dass Nutzer, denen die Codes das Gefühl geben, Teil des Widerstands zu sein, in Wirklichkeit ins Nichts hineinrufen. Oder im besten Fall einen kleinen Zirkel Eingeweihter erreichen, die ihre Ansichten sowieso teilen. Gestützt wird Xiaos These durch eine aktuelle informelle Befragung von 100 chinesischen College-Studenten, von denen nur 15 das sogenannte Tank Man-Foto erkannten. Auf dem historischen Bild stellt sich ein einzelner Demonstrant auf dem Tiananmen-Platz einer Panzerkolonne entgegen.

Doch Codewörter wie gelbe Ente für dieses Foto nützen nichts, wenn es durch das erzwungene Schweigen von Staatsmedien und Schulen kein gemeinsames Wissen mehr gibt. Wer motiviert genug ist, kann im Internet zwar alle nötigen Werkzeuge zur Umgehung der Großen Firewall finden, schreibt die Pekinger Journalistin Helen Gao in der New York Times. Doch nur wenige suchen nach ihnen. Die meisten ihrer Altersgenossen würden die Zensur fraglos akzeptieren. Diese erzeuge nicht nur Unwissen, sondern auch eine Art Apathie gegenüber allem, was nicht das eigene Fortkommen betrifft. So kennen viele chinesische Uni-Absolventen Dissidenten wie Ai Weiwei und Chen Guangcheng nicht.“ (vsz)