Datenaustausch ohne Stromversorgung

Forscher der University of Washington haben batterielose Sensoren entwickelt, die drahtlos mit anderen Geräten kommunizieren können. Sie nutzen die Abschwächung von Radiowellen als Signalweg. Damit ließe sich das Internet der Dinge erheblich ausweiten.

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Von
  • Tom Simonite

Forscher der University of Washington haben batterielose Sensoren entwickelt, die drahtlos mit anderen Geräten kommunizieren können. Sie nutzen die Abschwächung von Radiowellen als Signalweg. Damit ließe sich das Internet der Dinge erheblich ausweiten.

Die drahtlose Stromübertragung gilt seit einiger Zeit als eine wichtige Zukunftstechnologie. Ingenieure der University of Washington gehen nun noch einen Schritt weiter: Sie haben eine Technologie entwickelt, mit deren Hilfe mobile Geräte Daten drahtlos verschicken können – ohne überhaupt eine eigene Batterie zu haben. Der für die Übertragung notwendige Strom wird aus den allgegenwärtigen Radiowellen gezogen, die Fernseh- und Radiosender, WLAN-Router und Mobilfunkmasten aussenden. Diese Radiowellen werden zudem zu Signalen "recycelt", um die für ein aktives Senden nötige Leistung zu verringern.

Damit könnte das Internet auch in Winkel vordringen, die sich mangels Stromquellen bisher nicht an das Netz anschließen lassen. Auch könnten batterielose Sensoren kostengünstig das vernetzte Heim erweitern und Daten über den Zustand von Heizungen und anderen Gegenständen funken.

Intelligente Thermostate etwa sind derzeit dadurch eingeschränkt, dass sie die Temperatur nur in ihrer unmittelbaren Umgebung messen können. Batterielose Thermosensoren hingegen ließen sich auch hinter dem Sofa oder in Schränken anbringen. Damit könnten sie den Thermostaten ein umfassenderes Bild der Temperaturverteilung in einem Raum liefern. “Sie könnten diese Dinger überall hinlegen und müssten sich nie wieder Gedanken über sie machen”, sagt Shyam Gollakota von der University of Washington, der an der Entwicklung der Technologie mitgearbeitet hat.

Die Gruppe hatte bereits im vergangenen Jahr eine erste Version präsentiert. In der konnten die Geräte allerdings nur mit ihresgleichen kommunizieren. Das Stromgewinnungsverfahren nutzten die Forscher auch, um LEDs und andere Sensoren mit Energie zu versorgen.

Dass diese Geräte nun auch drahtlos Daten ins Netz senden können, erweitert ihre Anwendungen beträchtlich. Gollakota will eine Firma gründen, um die Technologie auf den Markt zu bringen. Diese soll auch auf bestehenden Standards für die Datenübertragung wie Zigbee oder Bluetooth aufsetzen. Auf der Konferenz ACM Sigcomm stellen Gollakota und seine Kollegen die Technologie mit einem Konferenzpaper vor.

Die Idee, Strom aus Radiowellen zu gewinnen, ist an sich nicht neu. Bislang war die Energiemenge aber nicht groß genug, um eine aktive Datenübertragung zu ermöglichen. Dafür brauche man im Idealfall einige hundert Milliwatt, üblicherweise jedoch ein Watt Leistung, sagt Gollakota.

Die Washington-Forscher haben nun einen Weg gefunden, dieses Problem zu umgehen. Anstatt aktiv Daten zu senden, streuen die Geräte vorhandene Radiowellen – sie “recyclen” sie gewissermaßen zur Signalübertragung.

Praktisch funktioniert das so: Um Daten an ein Smartphone zu senden, schaltet das batterielose Gerät zwischen Zuständen hin und her, die das Signal eines benachbarten WLAN-Routers absorbieren oder reflektieren. Dabei wird die Signalstärke des Routers verändert. Eine Software auf dem Smartphone liest diese Veränderung aus und ermittelt daraus den Dateninhalt des batterielosen Sensors.

Umgekehrt lassen sich auch Daten auf den Sensor schicken. Auch hier geschieht dies nicht durch eine direkte Übermittlung. Die Stromversorgung reicht nur dafür aus, die Anwesenheit von Datenpaketen in einer drahtlosen Übertragung wahrzunehmen. Will ein Gerät an den Sensor Daten übertragen, schickt er zunächst einen Schwall von Datenpaketen ab, der von dem Sensor als Aufforderung interpretiert wird, “zuzuhören”. Die Daten sind im darauf folgenden Strom aus Paketen kodiert: Ein Paket steht für eine “1”, eine paketlose Lücke für eine “0”.

“Angesichts der Dominanz der bisherigen drahtlosen Übertragung eröffnet dieses Verfahren eine großartige Möglichkeit für ein Internet der Dinge mit einer nur geringen Stromversorgung”, sagt Ranveer Chandra, der bei Microsoft Research an mobilen Technologien forscht. Am nächsten kämen dem bislang RFID-Etiketten, doch die könnten nur mit speziellen Lesegeräten kommunizieren. Der Ansatz der Gruppe der University of Washington lasse sich besser in die bestehende Infrastruktur einbauen.

Dafür müsse aber noch die Reichweite des Verfahrens erhöht werden, betont Chandra. Bislang liegt sie bei 65 Zentimetern – weiter dürfen der batterielose Sensor und eine herkömmliche Datenquelle nicht voneinander entfernt sein. Gollakota versichert aber, dass die Gruppe in noch unveröffentlichen Experimenten bereits eine Reichweite von bis zu zwei Metern geschafft habe. Zehn Meter und mehr sollten prinzipiell möglich sein, sagt Gollakota.

(nbo)