Bericht: Amazon will Buchversand ins Ausland verlagern

Amazon fordert deutsche Verlage auf, künftig rund 40 Prozent der für hiesige Kunden gedachten Waren über Verteilzentren im Ausland zu schicken. Ein neuer Schachzug im Tarifstreit mit Verdi?

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Onlinehandelsriese Amazon hat offenbar deutsche Verlage dazu aufgefordert, einen erheblichen Teil der für Kunden in Deutschland bestimmten Bücher, Hörbücher und weiteren Medien künftig an Logistikzentren im Ausland zu liefern. Beginnend ab September will Amazon rund 40 Prozent solcher Waren über Logistikzentren in Tschechien und Polen versenden, berichtet die Tageszeitung Die Welt unter Berufung auf ein Schreiben des Konzerns.

Deutsche Standorte wie hier in Leipzig werden bald wohl nur einen Teil der hier bestellten Bücher ausliefern.

(Bild: dpa, Peter Endig/Archiv)

"Lediglich die Lagerung der Waren erfolgt in Polen bis zu ihrer Auslieferung an die Kunden", soll es darin heißen. Einkauf, Bestellung und Verkauf sollten genauso wie bei in Deutschland eingelagerten Waren ablaufen. Dem Bericht zufolge stößt das Ansinnen bei den Verlagen nicht gerade auf Gegenliebe. "Amazons Plan bedeutet eine Vervielfachung der Wege und der damit verbundenen Kosten für die Verlage", kritisierte demnach etwa Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. „Wir sind nicht bereit, die zusätzlichen Kosten zu übernehmen", zitiert das Blatt einen weiteren Branchenvertreter.

Bereits im Oktober 2013 machte Amazon den Bau drei neuer Logistikzentren in Polen sowie zwei weiterer in Tschechien bekannt. Die polnischen Standorte in Wrocław und Poznań sollen nun im September ihren Betrieb aufnehmen. Amazon wolle mit dem Schreiben "Lieferanten vorab über die neuen Anlieferadressen“ informieren, teilte eine Sprecherin des Unternehmens heise online mit. "Die neuen Zentren unterstützen Amazons anhaltendes Wachstum in Europa“, führt sie aus.

Verdi vs. Amazon

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und Amazon liegen in Deutschland seit langem im Streit über den Tarifvertrag für die Beschäftigten: Die Gewerkschaft will für die Mitarbeiter eine Bezahlung nach Einzelhandelstarif erreichen. Amazon sieht sich als Logistiker, der mit seinen Löhnen am oberen Ende des Branchenüblichen liegt.

Pläne, eines der bestehenden Logistikzentren in der EU zu schließen, gebe es nicht, betonte die Sprecherin. Vielmehr schaffe man in Deutschland Arbeitsplätze, so verweist das Unternehmen auf das 2013 in Betrieb genommen Logistikzentrum in Brieselang bei Berlin. Wer die Mehrkosten der zukünftig weiteren Lieferwege tragen solle, sagte das Unternehmen nicht, ebensowenig ob die genannten 40 Prozent der Waren zutreffend seien.

Beobachter sehen in Amazons Vorgehen eine Reaktion auf die anhaltende Tarifauseinandersetzung mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die versucht seit Anfang 2013 mit wiederholten Streiks an verschiedenen Standorten und auch im Weihnachtsgeschäft einen Tarifvertrag des Einzelhandelsgewerbes für die Angestellten durchzusetzen. Amazon lehnt das ab und verweist auf Löhne, die am oberen Ende des Branchenüblichen in der Logistik lägen.

Durch eine stärkere Verlagerung der Warenströme in ausländische Zentren könnte der Konzern in jedem Fall dem Druckmittel Streik die Zähne ziehen. Verdi sieht die Sache laut Welt aber noch entspannt. "Amazons Lieferversprechen setzen der Verlagerungsstrategie Grenzen“, wird eine Gewerkschaftssprecherin zitiert. (axk)