Gamescom-Nachlese: Klassische Strategie erlebt Revival

Ob Echtzeit oder Rundenorientierung: Strategiespiele haben wieder Hochkonjunktur. Die Rückbesinnung auf totgesagte Konzepte gehört zu den Spiele-Trends – auch auf der diesjährigen Gamescom in Köln.

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Von
  • Stephan Greitemeier
Inhaltsverzeichnis

Das dänische Entwicklerteam Full Control ApS hat mit dem Kickstarter-gestützten "Jagged Alliance: Flashback" das Wagnis unternommen, den Kult-Titel neu zu interpretieren und dabei den Charakter des alten Spielkonzepts nicht zu verfälschen. Der Versuch scheint gelungen, soweit die auf der Gamescom gewonnenen ersten Einblicke dieses Urteil bereits zulassen. Die Handlung ist gegen Ende des Kalten Krieges angesiedelt und geht somit der Geschichte des ersten "Jagged Alliance" voraus.

Jagged Alliance Flashback: Dank erfolgreichen Crowdfundings hatten die Entwickler Gelegenheit, ihr Klassiker-Remake richtig gut auszustatten.

Grafische und technische Neuerungen wie ein dynamischer Wetter-Simulator sollen frischen Wind in das klassische Strategieerlebnis bringen. Zudem hat auch die Mechanik einige Veränderungen erfahren. Ähnlich wie "Divinity: Original Sin" bietet das Spiel eine Kombination aus rundenorientierten und in Echtzeit ablaufenden Aktionen: Die Umgebung lässt sich ohne Zugeinteilung erkunden, im Kampf jedoch geht es rundenorientiert zu. Das Spiel soll noch in diesem Jahr für Windows, Mac OS X und Linux in verschiedenen Sprachen (auch auf Deutsch) über Steam erscheinen und knapp 30 Euro kosten.

"Stronghold Crusader 2" vom Londoner Studio FireFly setzt noch konsequenter auf Echtzeit. In der Zusammenführung von Eroberungs- und Belagerungsstrategie der "Crusader"- und "Stronghold"-Reihen macht sich der Spieler auf ins Heilige Land, um dort entweder als Kreuzritter oder osmanischer Feldherr zu agieren. Er errichtet Festungen, kümmert sich um die Infrastruktur und baut seine Armee aus. Man kann gegen computergesteuerte Kontrahenten oder Mitspieler antreten.

Stronghold Crusader 2: enorm detailreiche Belagerungs- und Eroberungszüge vor mittelalterlichem Hintergrund.

Eine ausgefeilte Einheitenstruktur, die beispielsweise auch Söldner enthält, bietet viel Abwechslung. Gute Orientierungshilfen erleichtern dem Strategen die Arbeit in den streckenweise hektischen Eroberungs- und Verteidigungsschlachten, in denen unter anderem Belagerungsmaschinen zum Einsatz kommen. Das ausschließlich auf Windows zugeschnittene Spiel soll bereits ab 2. September für 35 EUR über Steam erhältlich sein.

Echtzeitstrategie muss nicht unbedingt militärisch geprägt sein. Auch strategisch geplante und gemeisterte virtuelle Notfalleinsätze werfen eine Menge Spielspaß ab. Das Tübinger Studio Sixteen Tons Entertainment liefert mit Emergency 5 durchaus spannende Echtzeit-Unterhaltung. Der jüngste Spross der seit 1998 bestehenden Strategiereihe wartet gegenüber seinem Vorgänger mit einer neuen Grafikengine auf und lässt den Spieler wahlweise in deutschen Metropolen agieren: Als Schauplätze stehen komprimierte Versionen von Hamburg, Berlin und München zur Verfügung.

Retten, löschen, bergen, Streit schlichten, Verkehr regeln und Verletzte ins Krankenhaus bringen: All das gehört zu den Aktionen, die der Spieler bei Emergency 5 plant und in Gang setzt.

Je nach Stadt fordern unterschiedliche Unfall- und Katastrophenszenarien den Spieler heraus. Das Spektrum reicht von einer Straßenbahnkollision über eine Schlägerei im Rotlichtbezirk bis zur Überschwemmung eines ganzen Stadtbezirks. Fans der Serie haben bislang schon unzählige Mod-Projekte geschaffen. Um die Motivation dafür auch beim neuen Spiel hoch zu halten, verspricht Entwickler Ralph Stock ein frisches Modding-Tool, mit dem Fans noch leichter ihre eigene Stadt zum virtuellen Notstandsgebiet machen können. Emergency 5 soll Im Oktober 2014 in den Handel kommen.

An einem ungewöhnlichen Schauplatz und vor einem sehr untypischen Story-Hintergrund ist "Crookz" angesiedelt. Auch hier muss man strategisch denken und planvoll agieren. Es geht dabei keineswegs militärisch zu, und es wird auch niemand getötet. In Anlehnung an das Konzept des 2001er Neo-Evergreens "Der Clou! 2" gilt es vielmehr, mit einem virtuellen Team aus Spezialisten in Nobel-Domizile einzubrechen, unter anderem in die Villa eines Pornoproduzenten. Zu allem Überfluss spielt sich das Ganze in den 1970er-Jahren ab. Die zeitgerechte Hauseinrichtung und die Gestaltung der Akteure in der typischen Mode der Ära hat dem Berliner Skilltree-Entwicklerteam sichtlich Spaß gemacht.

Crookz erlaubt es, in noblen Wohnstätten der 1970er-Jahre trickreiche Einbrüche zu verüben.

Das mit augenzwinkernd-humorvollen Elementen gespickte Spiel hält ernstzunehmende taktisch-strategische Herausforderungen bereit. Ähnlich wie bei Rundenstrategie à la XCOM legt man Laufrouten und Befehle für jede Figur fest – dafür lässt sich der Zeitablauf anhalten. Falls die computergesteuert umherpatrouillierenden Wachleute einen der Einbrecher stellen, ist die jeweilige Mission verloren, und man darf einen neuen Versuch wagen. Die Singleplayer-Kampagne umfasst über 20 Missionen; darüber hinaus soll es möglich sein, eigene Missionen zu gestalten und online mit anderen auszutauschen. "Crookz" soll 2015 für Windows, Mac OS X und Linux erscheinen.

Einen Brückenschlag zwischen zwei Genres unternimmt "Dungeons 2" von Kalypsos Realmforge Studios. Es verbindet Schurkengewölbe-Aufbau à la "Dungeon Keeper" mit reinrassiger Echtzeit-Eroberungsstrategie. Der Spieler rekrutiert Schergen, die er mit Gold und Bier bei Laune hält. Wenn er mit ihrer Hilfe seine düsteren Verliese hinreichend ausgebaut und auch erfolgreich verteidigt hat, kann er mit seinen finsteren Horden zur Oberfläche vordringen, Siedlungen angreifen und das zunächst idyllische Land in eine rauchende Wildnis aus abgestorbener Vegetation, glühenden Lavapfützen und Felsen verwandeln.

Dungeons 2: Ein gut gebautes Verlies und zufriedene Schergen ebnen dem erfolgreichen Bösewicht irgendwann den Weg nach draußen, wo er nach Herzenslust liebliches Land verwüsten kann.

Das Spiel ist mit vielen Anspielungen auf populären Fantasy-Stoff gespickt. Als praktisches Werkzeug zur Kontrolle seiner Helfer dient dem Spieler die mausgesteuerte "Schreckenshand". Bis zu vier Leute können im LAN oder per Internet als konkurrierende Monsterherrscher gegeneinander spielen. "Dungeons 2" ist fürs kommende Jahr angekündigt und soll für Windows, Mac OS X und SteamOS angeboten werden.

Die vielleicht spannendste Variation im Bereich der Echtzeit-Strategie liefert das Petroglyph-Team (Star Wars: Empire at War), zu dem etliche Westwood-Veteranen gehören, mit dem Science-Fiction-Konfliktepos "Grey Goo". Bei der Besiedelung einer fremden Welt kommen drei Fraktionen einander in die Quere: die Menschen, die außerirdischen Betas und der Grey Goo, eine intelligente Nanospezies in Gestalt einer amorphen wabernden Masse. Nacheinander steuert der Spieler die drei Fraktionen, deren Technologie jeweils besondere Vor- und Nachteile bietet.

Grey Goo bietet Science-Fiction-Strategie vom Feinsten.

Während die Menschen stark verbundene, schwer einzunehmende Basen bauen, breiten die Betas sich schneller über den Planeten aus. Der Goo aber ist eher ein intelligenter Schwarm ohne feste Basis, der als einzige Fraktion seine Energie aus besiegten Feinden zieht. Mit gesteigerter Masse kann sich der intelligente Klumpen in kleinere Einheiten spalten, diese weiterentwickeln und wiederum spalten. Vor allem diese neue Mechanik macht neugierig auf das Spiel, das noch in diesem Jahr exklusiv für Windows erscheinen soll. (psz)