Kommentar zu Netzausfällen: Super-GAU für Voice-over-IP

Für die Telekom sind die derzeitigen Großstörungen von VoIP-Anschlüssen das Schlimmste, was passieren konnte. Gerade waren VoIP-Anschlüsse salonfähig geworden.

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Von
  • Urs Mansmann

Die Telekom hat Probleme mit ihren Systemen

Die deutschen Kunden sind mit der IP-Telefonie nie so richtig warm geworden. Seit die ersten Versuchskaninchen über schlechte Sprachqualität, Aussetzer und fehlerhafte Verbindungen klagten, genießt die neue Technik bei den Anwendern nur geringes Vertrauen. Trotz Flatrates, HD-Voice und nomadischer Nutzung halten viele Kunden lieber ihrem in die Jahre gekommenen ISDN- oder Analoganschluss die Treue. Da funktioniert dann auch Faxen in erstklassiger Qualität, was bei VoIP-Anschlüssen immer ein Glücksspiel ist.

Alle Skeptiker dürfen sich nun bestätigt fühlen: Die Telekom hat ihr System nicht im Griff. Seit Wochen reiht sich eine Großstörung an die nächste, zahlreiche Telekom-Kunden mit IP-Telefonie-Anschluss sind immer wieder mal stundenlang nicht erreichbar, einige berichten sogar über tagelange Ausfälle.

Ein Kommentar von Urs Mansmann

Urs Mansmann schreibt seit 2002 als Redakteur für die c't und heise online. Er beschäftigt sich mit Internetzugängen und -diensten sowie Hausautomationssystemen. Außerdem hat er immer ein Auge darauf, was im Weltall gerade vor sich geht.

Für die Telekom kommt dieser technische Rohrkrepierer zur Unzeit. Gerade hatte sich die öffentliche Meinung gedreht, sah die Mehrzahl der Kunden die Vorteile der neuen Technik und nahm sie zögernd an. Gerade ist mit der IP-Telefonie die größte technische Umstellung seit der Digitalisierung der Netze in den 90ern angelaufen. Gerade ist die 3-Millionen-Marke bei den Nutzern erreicht.

Nun stehen die Kunden, die sich auf die Telekom und deren IP-Telefonie verlassen hatten, im Regen und machen ihrem Unmut in Facebook-Kommentaren und in User-Foren Luft, häufig begleitet von der Häme derer, die es bezüglich VoIP schon immer besser wussten. Wann die Probleme behoben sein werden, kann noch niemand sagen. Dass die Telekom Ericsson beim Namen nennt und damit den Schwarzen Peter an den Netzausrüster weitergibt, ist bemerkenswert. Normalerweise hält sich der Konzern zu solchen Details bedeckt. Da herrscht sehr dicke Luft.

Die Kunden werden sich die Probleme dieses Spätsommers lange merken. Der Zwangs-Umstieg dürfte nun auf mehr Widerstand treffen. Alternativen für den Kunden gibt es aber keine, mit herkömmlicher Telefonie lässt sich kein Geschäft mehr machen.

Schon die Umstellung auf ISDN aber zeitigte anfangs viele Probleme bei den Nutzern, auch wenn viele heutige ISDN-User die Technik mit verklärtem Blick betrachten mögen. Die zwei Jahrzehnte der Technikgeschichte, in denen Telefonate störungsfrei und Anschlüsse 24/7 verfügbar waren, sind jedenfalls definitiv vorbei. Jammern ändert daran nichts. (uma)