Schweiz: IMSI-Catcher für Bangladesch?

Aufregung in der Schweiz. Eine berüchtigte Todesschwadron in Bangladesch soll mit IMSI-Catchern ausgestattet werden, die eine Schweizer Firma anbietet. Aber auch in Deutschland gibt es neue Vorwürfe gegen einen Anbieter von Überwachungstechnik.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Schweizer Firma Neosoft versucht offenbar, Abhörsysteme aus der Schweiz nach Bangladesch zu exportieren. Sie sollen dort nach Recherchen von Privacy International und der Schweizer Wochenzeitung von dem Rapid Action Batallion eingesetzt werden. Diese Einheit der Sicherheitskräfte soll nach Angaben von Human Rights Watch für zahlreiche Morde an Oppositionsführern und Gewerkschaftern verantwortlich sein.

Viel (illegaler?) Umsatz mit Überwachungstechnik

(Bild: dpa, Jochen Lübke)

Fotografen der Wochenzeitung beobachteten eine Gruppe von 10 Bangladeschern, die von ihrem Zürcher Hotel aus in einen Minibus der Firma Neosoft stiegen, die Abhörsysteme wie etwa die umstrittenen IMSI-Catcher vertreibt. Später saß die Gruppe in der Hotelhalle und wurde mit Prospekten der Firma fotografiert, die nach Informationen aus dem Wiki Bugged Planet russischen Investoren gehört.

Der Fall dieses Exports von Überwachungstechnik nach Bangladesch wurde zuerst von Privacy International aufgedeckt und mit der Veröffentlichung des Angebots belegt. Bereits im Sommer 2013 soll Neosoft beim zuständigen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine Exporterlaubnis eingereicht, diese aber wieder zurückgezogen haben. Nach Angaben des Tagesanzeigers steht ein neuer Anlauf für eine Exportlizenz bevor.

Der fotografisch dokumentierte Aufenthalt der Bangladescher könnte darauf hindeuten, dass die Gruppe im Gebrauch und Wartung der Überwachungstechnik geschult wurde. Eine solche Schulung ist nicht ungewöhnlich. So wirbt etwa der deutsche Hersteller PKI-Electronic auf seiner Homepage ausdrücklich mit seinem komfortablen Schulungszentrum. Doch zumindest nach Schweizer Recht werden Schulungsmaßnahmen bereits als Technologietransfer angesehen, für die es eine Exportgenehmigung braucht. Hier könnte sich Neosoft strafbar gemacht haben.

Der Export von Überwachungssoftware ist ein lukratives Geschäft, nicht nur in der Schweiz. Dabei versuchen die daran beteiligten Firmen in der Regel, staatliche Kontrollen zu unterlaufen. So veröffentlichte Netzpolitik.org erst am heutigen einen Gastbeitrag von Forschern der Forschungsstelle Internet und Menschenrechte zu deutschen Exporten von Überwachungstechnik.

Die Forscher Ben Wagner und Claudio Guarnieri schätzen in ihrer Analyse nach Gesprächen mit Regierungsmitarbeitern, dass allein im Jahre 2010 Überwachungstechnik im Werte von 2,5 Millionen Euro legal exportiert wurde, bei einem lizenzierten IT-Export von insgesamt 12 Millionen Euro. Unlizenziert und an der Behördenaufsicht vorbei soll allein die berüchtigte Firma Gamma ein Geschäft von 20 Millionen Euro gemacht haben. "Die deutliche Lücke zwischen den lizenzierten und nicht-lizenzierten Teilen der Überwachungstechnik-Industrie zeigt die Notwendigkeit einer zügigen und klaren internationalen Regulierung", schreiben die Autoren. (mho)