Googles Eric Schmidt im Kreuzverhör bei Sigmar Gabriel

Datenschutz, Marktmacht, Leistungsschutzrecht: Die Liste der Streitpunkte zwischen Google und der deutschen Politik ist lang. Googles Ex-Chef Eric Schmidt stellte sich kritischen Fragen von Wirtschaftsminister Gabriel.

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Von
  • Herbert Braun
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Eric Schmidt zu Gast beim Wirtschaftsminister

(Bild: BMWI)

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie war am Dienstagabend Schauplatz einer Konfrontation zwischen Sigmar Gabriel, dem Vizekanzler und Chef des Ministeriums, und Eric Schmidt, dem früheren CEO und Chairman von Google. Beide waren in der Vergangenheit bereits aneinandergeraten – etwa als Gabriel laut über eine Zerschlagung des Internet-Riesen nachdachte. In dem mit gut 200 Besuchern vollen Saal kamen diverse Reibungspunkte wie Datenschutz, Kartellrecht, Leistungsschutzrecht, Recht auf Vergessen, Wirtschaftsförderung und Breitbandausbau zur Sprache.

Dabei gab sich Gabriel alle Mühe, nicht als Technikskeptiker dazustehen. In seiner Eingangsrede prangerte er jenen Geist an, für den "der Farbfernseher die letzte Erfindung" sei, die man nicht kritisch sehe. Er pries er das Freiheits- und Demokratieversprechen der digitalen Revolution und drängte darauf, dass Deutschland an der Speerspitze dieser Bewegung steht. Von der typischen Unterscheidung zwischen "Old" und "New Economy" will Gabriel nichts hören: Zum Glück habe man um das Jahr 2000 nicht auf Ratschläge gehört und brauche dafür jetzt keine Reindustrialisierung. Und von der Digitalisierung würden etwa auch die Autoindustrie oder die Energiewende profitieren.

Eric Schmidt

(Bild: dpa (Archiv))

Dennoch liege manches im Argen. Google sei stärker bei Förderung deutscher Startups engagiert als Dax-Unternehmen. Vor allem bei der Wachstumsfinanzierung nach der Startphase machte er Mängel aus. Venture Capital dürfe es in Deutschland "nicht nur in homöopathischen Dosen" geben.

Seinem Kontrahenten bescheinigte Gabriel einen beneidenswerten Technikoptimismus. In vielem stimme er mit Eric Schmidt überein, bekannte er, etwa wenn es um den vehementen Widerstand gegen den politischen Missbrauch von Daten gehe. "Aber lassen Sie uns auch über den wirtschaftlichen Missbrauch reden."

Googles Marktmacht, die neoliberale Vorstellung von der totalen Verwertbarkeit des Menschen und der Kontrollverlust über eigene Daten machten ihm Sorgen. Letzteres führe auf die Frage zurück, ob wir unser Menschenbild ändern müssen – was Gabriel mit Nein beantwortete. Er bewundere Google, wie er auch Autoingenieure bewundere – trotzdem seien Regeln im Straßenverkehr ebenso nötig wie für Google.

Gabriels Lieblingslösung, die er auch dem EU-Digitalkommissar empfehlen wolle, ist ein übersichtliches Daten-Gütesiegel. AGB und Datenschutzerklärungen seien jedenfalls keine Grundlage für Transparenz. So ein Siegel könne sich auch Schmidt vorstellen, denn "wir mögen Beschränkungen bei der Nutzung von Daten".

Es sei eine Pflicht gegenüber nachfolgenden Generationen, den Innovationszyklus am Laufen zu halten, erklärte Schmidt. Beim Benennen der Chancen und Probleme der deutschen Digitalwirtschaft war er einer Meinung mit Gabriel. Investitionen in Bildung und Breitband seien "entscheidend" für Deutschlands wirtschaftliche Aussichten für die kommenden fünf bis zehn Jahre. In diesem Zusammenhang verwies er auf Googles starkes Engagement in Deutschland und Europa.

Dabei war er bemüht, Googles Marktstellung kleinzureden – was ihm aber weder Gabriel noch das Publikum so recht abkauften. Das Unternehmen sei nur "ein Fenster aufs Internet". So sei es "schwer für mich zuzugeben", dass nicht Google, sondern Facebook die bekannteste App sei. Google verkaufe keine Daten, sei nie Opfer eines Datendiebstahls geworden und ermögliche Benutzern, ihre Spuren zu löschen: "Eine Menge Leute kümmern sich um Datenschutz!" Im Übrigen könnten in zehn Jahren ganz andere Unternehmen vorne stehen als heute.

Die Abhör-Exzesse US-amerikanischer und britischer Geheimdienste nannte Schmidt einen "Angriff", das Benehmen der NSA habe er gegenüber Präsident Barack Obama als "empörend" bezeichnet. Die einst enge Beziehung zwischen den USA und Deutschland habe deshalb gelitten. "Nur weil man etwas tun kann, heiße das noch lange nicht, dass man es auch tun sollte", kommentierte Schmidt unter dem Beifall des Publikums – allerdings musste Schmidt später sein eigenes Unternehmen gegen diesen Satz verteidigen.

Schmidt betonte mehrfach, dass Deutschland und Europa gute Voraussetzungen für erfolgreiche digitale Unternehmen habe. Dennoch sei es wichtig, Probleme zu erkennen, etwa bei unterschiedlichen Regulierungen innerhalb Europas (Frankreich sei dabei "eines der schlimmsten" Länder). Mit seiner Kritik am deutschen Rückstand beim Breitbandausbau traf Schmidt bei Gabriel auf offene Ohren. Dieser räumte ein, dass dies eine wichtigere Zukunftsinvestition sein könnte als Autobahnbrücken.

Nicht nur der Bundeswirtschaftsminister, sondern auch das Publikum ging mit Schmidt ins Gericht. Manch einer äußerte sich enttäuscht über die "Naivität", dass der Google-Chairman die Besorgnis der Bürger über Kontrollverlust teile, den seine Produkte verursache, oder Verantwortung auf die von seiner Firma entwickelten Algorithmen abwälze.

"Warum liest Google Gmail-Nachrichten?", fragte Gabriel den Google-Chairman. "Tun wir nicht", entgegnete dieser. Doch Gabriel brachte den Fall eines Gmail-Nutzers aufs Tapet, der mit kinderpornografischen Materialien überführt worden war. "Bravo, aber wir würden in Deutschland sagen, das ist nicht Aufgabe eines privaten Unternehmens". Google habe nur auf Hinweis gehandelt, erwiderte Schmidt, doch offensichtlich kann so etwas auch ohne Gerichtsbeschluss passieren.

In der Sache des Leistungsschutzrechts ergriff Gabriel Partei für die Verleger. Es sei ein "komisches Geschäftsmodell", mit fremdem Eigentum Geld zu machen – auch wenn er sich eine gesetzliche Regelung nicht gewünscht habe. Im Publikum gab es dafür vereinzelten, aber um so heftigeren Applaus.

In Brüssel streitet sich Google mit der EU über den Vorwurf, eigene Angebote zu bevorzugen, insbesondere im Fall von Produktsuchmaschinen: Schmidts lakonischer Verweis, sein Unternehmen befolge deutsches Recht, verstand Gabriel als Aufforderung zu mehr Regulierung, was er eigentlich nicht wolle. Schmidt verwies darauf, dass es ihm in erster Linie um die Wünsche der Google-Nutzer gehe, die nicht auf andere Aggregatoren verwiesen werden möchten. Nach langen Verhandlungen in Brüssel habe man sich auf ein Abkommen geeinigt, das in den kommenden Monaten in Kraft trete.

Das Recht auf Vergessen, das Google zur Löschung von Suchtreffern zwingt, ist offensichtlich nicht Schmidts Lieblingsthema, aber "wir müssen damit leben", denn diese Entscheidung werde seiner Ansicht nach "einige Jahre" gelten. Dass man seinen Namen ändern solle, um die Vergangenheit abzustreifen, sei ein Witz gewesen.

In der Frage der minimalen Besteuerung in Googles europäischer Niederlassung in Irland sprang Gabriel seinem Kontrahenten bei: Das sei "ausnahmsweise nicht die Schuld Googles", sondern gehe auf die "Dummheit der europäischen Politik" zurück. (anw)