Vor 60 Jahren: Das erste Transistorradio kommt auf den Markt

Wenige Monate nach dem WM-Finale 1954, dem viele Deutsche noch am Röhrenradio lauschten, brachten zwei US-Firmen das erste Transistorradio der Welt auf den Markt.

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Von
  • Andreas Stiller

Dem "Tor, Toor, Tooor, Toooor!", von Herbert Zimmermann in der wohl berühmtesten Radioreportage der bundesdeutschen Geschichte vom WM-Finale 1954 konnten die Älteren unter uns am Röhrenradio – meist noch ein Volksempfänger – live lauschen, Fernseher gab's damals hierzulande so gut wie nicht. Nur wenige Monate später, am 18. Oktober 1954, schlug dann aber die Stunde des ersten Transistorradios der Welt: Texas Instruments und die Regency Div. I.D.E.A. aus Indianapolis stellten den batteriebetriebenen Regency T1 vor, der für knapp 50 US-Dollar auf dem Markt kam -- das entspräche heute etwa 500 Dollar. Rot markiert waren auf der Frequenzskala die beiden Notfrequenzen, die man brauchte, falls die Russen mit Atomraketen angriffen oder Marsianer in New York landeten.

Ein Joint Venture von Texas Instruments und Regency Inc stellte am 18.Oktober 1954 das erste volltransistorisierte Radio vor, das Regency TR1.

(Bild: Texas Instruments)

Projektleiter Paul Davis und die Entwickler Richard Koch, Roger Webster, Ed Jackson und Mark Campbell bauten vier NPN-Germanium-"Grown-Junction"-Transistoren (TI223, 2*TI222, TI210) in den Superheterodyne-Empfänger ein. Dieser arbeite mit einer selbstschwingenden Mischstufe, wobei Fachleute noch heute darüber streiten, ob es sich dabei mehr um eine additive oder multiplikative Mischstufe handelt. Dahinter kam eine zweistufige Zwischenfrequenzverstärkung.

Deren ZF betrug nur 262 kHz statt der bei Röhren üblichen 455 kHz, da die Germanium-Transistoren mit höheren Frequenzen noch nicht so gut klar kamen. Um überhaupt vernünftige Verstärkungen hinzubekommen, brauchten sie auch höhere Spannungen und so verwendeten die Entwickler Anodenbatterien (Neda 215, Eveready 412 und ähnliche) mit einer für spätere Transistoren unüblichen hohen Spannung von 22,5 Volt.

Bessere Silizium-Transistoren waren zwar wenige Monate zuvor ebenfalls von Texas Instruments erfunden worden, kamen hier aber noch nicht zum Einsatz. Schon im Nachfolgemodell Regency TR4 wurde die Spannung aber auf 9 V mehr als halbiert.

Beide ZF-Stufen verwendeten eine Phasenrückkopplung (über 100-200 pF und 560 Ohm in Reihe) zur Kompensation der Basis-Kollektor-Kapazität und zur Unterdrückung von Schwingungen. Eine Automatic Volume Control (AVC) sollte Schwankungen ausgleichen. Die Regelspannung dafür wurde am Ausgang der Demodulator-Germaniumdiode abgegriffen, gefiltert und an den Eingang der ersten ZF-Stufe zurückgeführt. Die Schaltung funktionierte aber nicht so toll und wurde später noch etwas nachgebessert.

Die Eintaktendstufe war sehr einfach gestrickt und ohne NF-Vorverstärker. Bei etwa 4 mA Stromaufnahme hielt die relativ teure Batterie nur 20 bis 30 Stunden durch. Die heutigen Nachbauten wie Exell 412a halten da etwas länger.

Schaltpläne und ausführliche Beschreibungen dazu findet man im Radiomuseum, in Wumpus Welt der Radios und auf der eigenen Website www.regencytr1.com, wo auch das Servicemanual von Regency Inc. (kostete einst 25 Cent) zu finden ist. Anschauen kann man sich das Radio im Deutschen Museum in München.

Ein sehr einfach gestrickter Überlagerungsempfänger

(Bild: //www.radiomuseum.org/r/regency_pocket_radio_tr_1_tr1.html:www.radiomuseum.org, mit freundlicher Genehmigung)

Ein Riesenerfolg wurde das Regency TR1 allerdings nicht, dazu waren auch die veröffentlichten Testergebnisse (damals noch nicht in c't sondern im Consumer Reports) zu negativ. Breitflächig setzten sich Transistorradios etwas später zunächst in Japan durch. In Deutschland kamen 1957 die ersten volltransistorisierten Radios auf den Markt.

Genannt wird hier zumeist das Telefunken "Partner", doch das auf der Hannover-Messe vorgestellte Peggie von Accord war wohl wenige Wochen früher lieferbar. Beide kamen aber gerade rechtzeitig vor der WM 58 in Schweden, wo Deutschland aber nur Vierter wurde und Brasilien mit Pele brillierte. In der DDR erschien dann 1959/60 das Sternchen.

Doch großes Ungemach droht hierzulande all diesen schönen Radios, wenn sie noch funktionieren. Denn spätestens im nächsten Jahr werden wohl die letzten öffentlich-rechtlichen Mittel- und Langwellensender ihren Betrieb einstellen. (as)