Kommentar: Kreditkartensicherheit – warum einfach, wenn's auch kompliziert geht?

Seit Jahrzehnten sind Kreditkarten unsicher. Eine Unterschrift zu fälschen, ist simpel. Nun wollen Mastercard und Visa mit Fingerabdruckscannern und elektronischer Unterschrift aufrüsten. Dabei wäre die Lösung so viel einfacher.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Der Thailand-Urlaub war schön. Die Inseln, die Strände, das Tauchen – herrlich. Doch auf dem Tauchboot der Schock: Meine Visa-Kreditkarte war weg. Verloren, dachte ich. Sobald wir wieder an Land waren, ließ ich sie sofort sperren. Wird schon gut gegangen sein, dachte ich und genoss meinen Resturlaub.

Jens Lubbadeh

Jens Lubbadeh ist seit 2012 Redakteur bei Technology Review. Ob Plastik im Meer, Sharing Economy, Neurotechnik oder Virtual Reality – er kann sich für die unterschiedlichsten Themen begeistern, in sie abtauchen und einige Zeit später mit einem Text darüber wieder an Land gehen.

Aber es war leider nicht gut gegangen. Zuhause schaute ich auf meinen Kontoauszug und bekam fast einen Herzinfarkt: minus 10.000 DM. Ein Dieb hatte sie mir gestohlen – und dann nicht lange gefackelt. In den zwei Tagen, die er sie in seinem Besitz hatte, hatte er damit unter anderem einen Motorroller gekauft, allerlei Klamotten, Essen, Trips bezahlt... so lange, bis der Dispo von 10.000 DM ausgeschöpft war und die Karte sich automatisch sperrte.

Aber ich hatte Glück im Unglück: Die Versicherung von Visa griff, das Geld wurde mir sofort zurückgebucht.

14 Jahre ist das jetzt her. Aber Kreditkarten sind kein bisschen sicherer geworden. Noch immer ist die Unterschriftenvorlage schön auf der Rückseite. Mit ein bisschen Übung kann jeder Kartendieb die üben. Und welche Kassiererin schaut schon genau hin? Wenn ich einkaufen gehe, geben mir 90 Prozent aller Kassenfrauen die Karte schon zurück, bevor ich unterschrieben habe. Na super.

Dabei wäre die Lösung so einfach: Man müsste nur ein simples Porträtfoto des Besitzers auf die Karte drucken – fertig wäre die sichere Karte. Die Technik bieten Visa und Mastercard auch an: Man kann Fotos hochladen – aber nicht zwecks Sicherheit, sondern um seine Karte zu verschönern. Auf die naheliegendste Anwendung kommt hier wohl niemand.

Stattdessen gilt mal wieder: Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht? Statt auf das simpelste biometrische Erkennungsmerkmal, das Gesicht, konzentriert man sich auf die schwierigsten. Man will jetzt Fingerabdruckscanner in Kreditkarten integrieren. Oder die elektronische Unterschrift einführen. Sogar der Herzrhythmus soll als Identifikation dienen. Teuer, kompliziert und nicht unbedingt viel sicherer. Den Fingerabdrucksensor hat man schon gehackt. Die Dynamik einer Unterschrift kann man sich genauso abgucken wie die Unterschrift selber. Und warum soll ich jetzt ein Messarmband tragen, wenn ich wenige Male im Jahr mit meiner Kreditkarte zahlen will?

Zudem sind das alles wieder mal typisch komplizierte Lösungen, die sich nur die Hightech-Nationen ausdenken konnten und die auch nur für Hightech-Nationen praktikabel sind. Bis diese Technologien es bis in die entferntesten Ecken unseres Planeten geschafft haben sollten – falls sie es jemals schaffen –, werden sie mit Sicherheit a) längst gehackt sein und b) sich schon wieder irgendjemand den nächsten biometrischen Firlefanz ausgedacht haben.

Unglaublich, aber wahr: Seit einem Jahr habe ich jetzt die sichere Mastercard. Aber nicht dank Mastercard, sondern dank Deutscher Bahn. Auf meiner Bahncard 100, die gleichzeitig auch meine Kreditkarte ist, prangt ein kleines Porträt von mir. Bisher habe ich viel positives Feedback von Kassiererinnen dafür bekommen. Eine super Idee, sagen sie. Und: Wenn das doch nur alle Kreditkarten hätten. Genau, sage ich dann. Das unterschreibe ich sofort. (jlu)