Snowden: "Es reicht nicht, an etwas zu glauben, man muss es verteidigen"

Edward Snowden hat einem US-Magazin ein ausführliches Interview gegeben. Darin verteidigt er nicht nur erneut seinen Weg an die Öffentlichkeit, sondern äußert sich auch zu den politischen Motiven für seine Entscheidungen.

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Edward Snowden

(Bild: dpa, Guardian/Glenn Greenwald/Laura Poitras/Archiv)

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"Ich habe nichts zu verbergen" heißt eigentlich "meine Rechte sind egal". Diese Meinung vertritt Edward Snowden in einem sehr ausführlichen Interview mit dem US-Magazin The National. Damit kritisiert er eine der häufigsten Reaktionen auf die von ihm angestoßenen NSA-Enthüllungen. Genau wie in anderen Bereichen müssten Bürger auch bezüglich der Überwachung ihre Rechte nicht rechtfertigen. Vielmehr müsse die Regierung es rechtfertigen, wenn sie sie beschneide. Wer sich dagegen nicht zur Wehr setze, gebe das Konzept eigener Rechte auf – in dem Fall etwa auf Privatsphäre. Die würden stattdessen zu etwas, das die Regierung gewähren und entziehen könne.

Edward Snowden lebt seit dem Sommer 2013 in Russland.

(Bild: dpa, Glenn Grennwald / Laura Poitras)

In dem Gespräch erklärt Snowden auch politische und philosophische Hintergründe für seine Entscheidung, die NSA-Aktivitäten offenzulegen. So weist er die so oft geäußerte Begründung zurück, bei der Massenüberwachung gehe es um Fragen der "nationalen Sicherheit". Der Begriff sei irreführend, weil eigentlich "Staatssicherheit" gemeint sei. Diese Wort werde nur deshalb nicht benutzt, weil es an all die schlimmen Regime erinnere. US-Offiziellen, die dazu im Fernsehen redeten, gehe es nicht darum, was für den Einzelnen oder die Wirtschaft gut ist, sondern immer nur um den Schutz und die Aufrechterhaltung des staatlichen Systems. Snowden versichert, kein Anarchist zu sein; aber man müsse sich bei solchen Begriffen bewusst sein, was gemeint ist und erkennen, wenn sich politische Entwicklungen gegen die Bürger richten.

Nachdem in den 70er Jahren in den USA die Rechte der Geheimdienste eingeschränkt wurden, seien diese Reformen nach und nach ausgehöhlt worden. Snowden gibt sich auch deswegen überzeugt, dass jede Generation von neuem ihre Rechte verteidigen müsse. Die Menschen hätten nur die Rechte, die sie auch verteidigen und es reiche nicht, an etwas zu glauben. Es zähle nur das, was auch aktiv verteidigt werde. Es gehe in der ganzen Debatte auch gar nicht um Überwachung, sondern um Freiheit.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Angesprochen auf die Konsequenzen seiner Enthüllungen, verweist Snowden explizit auf den NSA-Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestags. Der würde mehr und mehr aufdecken und auch ernsthafte Verstöße gegen das Grundgesetz öffentlich machen. Auch Brasilien wehre sich gegen die Überwachung, etwa mit Gang vor die Vereinten Nationen. Und in praktisch jedem Land, in dem die Enthüllungen diskutiert würden, habe die Öffentlichkeit die Ideologie, die hinter der Überwachung stehe, zurückgewiesen. Außerdem wachse immer, wenn er in den USA von einem Staatsvertreter als Verräter bezeichnet werde, die öffentliche Unterstützung für die Enthüllungen.

Im weiteren Verlauf äußerte sich Snowden auch zu jenem berüchtigten Auftritt während der Pressekonferenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dem hatte er für die Behauptung die Vorlage geliefert, Russland überwache nicht massenhaft. Snowden war dafür auch aus den Reihen seiner Unterstützer kritisiert worden. Er selbst gestand nun ein, dass das schrecklich gelaufen sei: "Das ist wirklich in die Hose gegangen." Er habe gehofft, Putin zu einer Lüge zu provozieren. Dazu müsste aber nun ein russischer Informant offenlegen, dass Putins Beteuerung falsch ist. Bezüglich seines Bildes in den USA habe sich der Auftritt jedenfalls nicht gelohnt.

Mehrmals versichert Snowden erneut, dass sein persönliches Schicksal nicht vorrangig ist. Ihm selbst sei gleichgültig, was mit ihm passiere: "Mir ist egal, ob ich im Gefängnis oder in Guantánamo lande, oder aber mit zwei Kopfschüssen aus einem Flugzeug geworfen werde." Er habe getan, was er getan habe, weil er es für richtig halte. Auch sehe er sich immer noch als Techniker und nicht Politiker. All die Interviews – die er selbst hasse – gebe er nur, weil gut meinende Menschen, denen er vertraue, ihm dazu rieten. Sie versicherten ihm, dass er damit seinen Teil zu einem langsamen Wandel beitragen könne. (mho)