Cyber Security Summit: "Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt"

Auf dem Weg zur Cyber-NATO? Die Informationskriegsführung ist Thema der Veranstaltung von Telekom und Münchener Sicherheitskonferenz. Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg warb für ein transatlantisches Bündnis mit Abschreckungspotenzial.

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Von
  • Torsten Kleinz
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Ist der Cyber-Krieg bereits ausgebrochen? Für Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz ist die Frage eindeutig zu beantworten: "Wir müssen leider ganz lapidar feststellen, dass der Krieg als Element der Politik nach Europa zurückgekehrt ist", sagte der Mitveranstalter des Cyber Security Summits zu Beginn der Veranstaltung in Bonn.

Die Propaganda-Schlachten um den Ukraine-Konflikt oder die Rekrutierung von ausländischen Kämpfern durch die Gruppe "Islamischer Staat" sorgt im Westen für Besorgnis. Das Treffen mit Vertretern von Bundesregierung, EU, NATO und vielen Privatunternehmen zeigt jedoch auch, dass der Westen bisher keine gemeinsame Strategie hat.

Elmar Brok, Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, ist gerade Europa noch unzureichend auf die Herausforderungen des Infromationskrieges vorbereitet. So gebe es zwar viele europäische Initiativen zur Verstärkung der Online-Sicherheit. Diese seien jedoch offen für alle, auf freiwilliger Basis und damit auch wenig schlagkräftig. Im Gegensatz dazu nutzten andere Akteure die Kraft des Internets voll aus – insbesondere zur Propaganda.

"Die sozialen Medien sind in den USA erfunden, aber von Russland perfekt genutzt worden", fasste Brok in Hinblick auf den Ukraine-Konflikt zusammen. Bei 140 Staaten, die jeweils ihre eigene Strategie für Informationskriegsführung entwickelten, könnten diese kaum Schlagkraft erreichen – auch seien in Europa die zuständigkeiten viel zu breit gestreut. "Wir brauchen eine Cyber-NATO", fasste Brok die Situation zusammen.

Die NATO selbst will diese Rolle allerdings nicht übernehmen. So betonte Sorin Ducaru, der bei der NATO für "Emerging Security Challenges" zuständig ist, dass das transatlantische Verteidigungsbündnis das Internet nicht militarisieren wolle. "Das NATO-Mandat beschränkt sich auf Verteidigung gegen Cyber-Attacken, es betrifft nicht Cyber-Kriminalität, auch nicht die aktive Kriegsführung unsererseits."

Das Verhältnis zur USA ist hier nach den Enthüllungen über die Spionageprogramme der NSA äußerst problematisch. So forderte Telekom-Chef und Gastgeber Timotheus Höttges, gegen die Übermacht der US-Konzerne im Internet vorzugehen. Andy Müller-Maguhn, ehemaliger Sprecher des Chaos Computer Clubs, verwies darauf, dass eine gemeinsame Strategie mit den USA schon an den unterschiedlichen Begrifflichkeiten scheitere. So verstünden die Vertreter der Überwachungsdienste unter IT-Sicherheit, die Sicherheit alle Geräte unter ihrer Kontrolle zu haben.

Der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der mittlerweile die Beratungsfirma Spitzberg LLC in New York aufbaut, plädierte für eine transatlantische Zusammenarbeit, die sich nicht nur darauf beschränkt, Attacken abzuwehren. "Diejenigen, die in diesem Bereich tätig sind, wissen, dass die Verteidigung auch eine aktive Komponente haben muss." Sprich: Um sich gegen Angriffe zu wehren, müssten die westlichen Staaten auch selbst angreifen können.

Zu Guttenberg plädierte dafür, auch ein Abschreckungspotenzial aufzubauen. Im Gegensatz zu den Vertretern der aktiven Politik bejahte er die Frage eindeutig, ob mit der Stuxnet-Attacke gegen das iranische Atomprogramm die Genfer Konvention verletzt wurde. Allerdings ergänzte er: "Hier sehen wir die Grenzen des bestehenden Systems. Reichen diese Regeln? Ich sage nein."

Brok sieht die Schuld für Stuxnet beim Iran. "Wenn sich jemand gegen das Völkerrecht nukeare Kriegsfähigkeit verschafft, sollte man vielfältige Mittel wählen könne." Sofern eine solche Attacke die Uranreicherung verhindere, aber nicht zum Ziel habe einen atomaren Störfall auszulösen, habe er keine prinzipiellen Vorbehalte. (jk)