BKA-Chef Ziercke: Polizeiarbeit durch Datenschutz gehemmt

Was darf der Staat und was nicht? Im Kampf gegen Terroristen und Schwerverbrecher sieht sich der Chef des Bundeskriminalamts unter hohem Rechtfertigungsdruck. Er spricht sich für eine neue Debatte über Datenschutz und Polizeibefugnisse aus.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der scheidende BKA-Präsident Jörg Ziercke (hier beim Tag der offenen Tür des BKA am 14. 9. 2013)

(Bild: Wo st 01, Lizenz Creative Commons BY-SA 3.0 DE )

Zum Ende seiner Amtszeit hat sich der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, noch einmal für mehr Polizeibefugnisse ausgesprochen. Der 67-Jährige steht seit dem Jahr 2004 an der Spitze der Sicherheitsbehörde. Er verabschiedet sich in diesem Monat in den Ruhestand.

"Das Strafrecht wird an seine funktionalen Grenzen geführt", kritisierte Ziercke im Gespräch mit dpa. "Durch die Debatte über Bürgerrechte und Datenschutz spüren wir einen hohen Rechtfertigungsdruck bei der Frage, was der Staat darf und was nicht."

Vielfach gebe es eine große Ablehnung gegenüber bestimmten Mitteln der Polizeiarbeit. "Wir brauchen darüber eine grundsätzliche Debatte", forderte Ziercke. Derzeit bestimme der mögliche Missbrauch von Daten die Diskussion. Sinnvoller wäre es nach seiner Ansicht, sich verstärkt über Kontrollinstrumente zu unterhalten, um es aufseiten der Sicherheitsbehörden gar nicht erst zu einem Datenmissbrauch kommen zu lassen.

Als Beispiel für ein solches Instrument nannte Ziercke die Einführung eines speziellen Richtergremiums. Dieses könne in Fällen von Schwerstkriminalität über Maßnahmen der Vorratsdatenspeicherung, der Online-Durchsuchung oder der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) entscheiden. Bei Letzterer geht es darum, mittels eines Trojaner-Einsatzes etwa Internettelefonate vor ihrer Verschlüsselung beim Sender bzw. nach ihrer Entschlüsselung beim Empfänger zu überwachen.

"Eine derartige Software wird derzeit von uns entwickelt, sie muss aber hohen Anforderungen hinsichtlich Datenschutz und IT-Sicherheit sowie speziellen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügen", erklärte Ziercke. Bis zum Abschluss dieser Entwicklung sei ein kommerzielles Produkt beschafft worden – es entspreche aber noch nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben und werde vom BKA nicht eingesetzt.

Auch gegen die Vorratsdatenspeicherung gibt es starke rechtliche Bedenken. "Es wird immer so dargestellt, als fordere nur das BKA die Vorratsdatenspeicherung", sagte Ziercke. "Das ist nicht nur meine Meinung, sondern Konsens unter den Länderinnenministern, Staatsanwälten und Ermittlern."

Weiter gehende Befugnisse seien auch zur Bekämpfung der Internetkriminalität nötig, sagte Ziercke. Derzeit könnten 70 Prozent der Fälle nicht aufgeklärt werden. "Das hängt auch mit der fehlenden Vorratsdatenspeicherung und der Verschlüsselung der Internettelefonie zusammen", erläuterte er.

Gerade die anlasslose Speicherung der Verbindungsdaten alller Bürger auf Vorrat stößt aber nicht nur auf Widerspruch bei Kritikern, die bemängeln, die möglichen Erfolge durch die Vorratsdatenspeicherung seien keineswegs so eindeutig und bewiesen, wie die Strafverfolger behaupten. Gegen die Vorratsdatenspeicherung gibt es auch schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof hatten die Vorratsdatenspeicherung als nicht mit den Grundrechten vereinbar verworfen; das Bundesverfassungsgericht hatte einer möglichen Neufassungt der entsprecheden Regelungen Enge Grenzen gezogen, der Europäische Gerichtshof ging nach Ansicht von Experten in seiner Ablehung der Vorratsdatenspeicherung sogar noch über das Bundesverfassungsgericht hinaus. (mit Material von dpa) / (jk)