Klassenkampf statt Arbeitskrampf? Streit bei Onlineshop Stylebop

Im erfolgreichen Onlineshop Stylebop tobt ein Arbeitskampf. Nachdem die Gewerkschaft Verdi dort Flugblätter verteilte, wurden zwei Mitarbeiter entlassen. War das Zufall? Und wie steht es in der Digitalwirtschaft allgemein um die Rechte von Mitarbeitern?

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Klassenkampf statt Arbeitskrampf? Streit bei Onlineshop Stylebop

Screenshot der Stylebop-Website

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Stefan Mey
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Anfang September in München. Früh am morgen verteilt der Gewerkschaftssekretär Jürgen Emmenegger mit einer Kollegin Flugblätter vor den Betriebsräumen von Stylebop, einem der europaweit größten Onlinehändler für Luxusmode, der nach Eigenangaben jährlich mehr als 300.000 Pakete in mehr als 100 Länder verschickt. Unter der Überschrift "Stylebop ist erfolgreich! Wo bleibst du?" werden die Arbeitsbedingungen angeprangert und wird für die Bildung eines Betriebsrats geworben, angeheftet eine Beitrittserklärung für Verdi. Irgendwann wird Emmenegger des Hauses verwiesen.

Dieses Flugblatt verteilte Verdi bei Stylebop

Was danach passiert ist, sorgt noch heute für Streit. Zwei Mitarbeitern wurde am gleichen Tag eine Kündigung ohne Begründung überreicht, erzählt Emmenegger. Dagegen haben beide Klage eingereicht, Verdi unterstützt sie dabei.

Einige Stylebop-Mitarbeiter, darunter die beiden gekündigten, hatten sich Mitte Juli bei ihm erkundigt, wie man einen Betriebsrat gründet, erinnert sich der Gewerkschaftssekretär: "Die Kollegen beklagten, dass sie pro Woche fünf unbezahlte Überstunden machen müssen, beklagten das schlechte Betriebsklima, kurzfristige Anordnung von Mehrarbeit bzw. Verlängerung der täglichen Arbeitszeit kurz vor Feierabend usw." Sie kritisierten auch die für Münchner Verhältnisse niedrigen Löhne.

Mittlerweile habe Stylebop die Begründungen für die Kündigungen nachgereicht. Vorgeworfen wird unter anderen: allgemein aggressives Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Arbeitsverweigerung, weil ein Kollege einen Stapel Eilaufträge zurückgewiesen habe, die er kommissionieren sollte, oder vorsätzliches Krankmachen. Die Ex-Arbeitnehmer bestreiten das, Emmenegger glaubt: "Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Auftauchen von Verdi vor dem Betrieb und der Kündigung." Die beiden hätten schon zuvor gegenüber Vorgesetzten die Arbeitsbedingungen kritisiert. Stylebop selbst wollte sich zu der Sache nicht äußern.

In einer Online-Veröffentlichung stellte Verdi den Fall in einen größeren Kontext und schlug klassenkämpferische Töne an: "Gerade junge 'e-commerce'-Unternehmen haben oftmals ein eher frühkapitalistisches Verhältnis zu ihren Beschäftigten und deren Rechten – wie die Praktiken beim Onlinehändler Amazon belegen."

Hat die junge Digitalbranche ein generelles Problem mit Arbeitnehmerrechten? Florian Nöll vom deutschen Startupverband verneint. Ein Startup ist Stylebop mit seiner 10-jährigen Geschichte schon lange nicht mehr. Und: "Wäre Stylebop ein Startup, dann wäre es ein Fall unter mehr als 5000 Startups in Deutschland. Verdi versucht hier ein Problem zu erfinden, wo keines ist." Er verweist auf die Studie Startup-Monitor 2014, aus der das Engagement für Startup-Mitarbeiter hervorgehe, etwa dass ein Drittel der jungen Internet-Unternehmen ihren Mitarbeitern eine Unternehmensbeteiligung ermöglicht und ein weiteres Drittel so etwas einführen will. Der für Onlinehändler zuständige Bundesverband Ecommerce- und Versandhandel (BEVH), um eine Einschätzung gebeten, will sich zu der Thematik nicht öffentlich äußern.

Auf eine direkte Nachfrage hin antwortet Emmenegger zurückhaltender: Verallgemeinert würde er nicht sagen, dass Internetunternehmen Probleme mit der Umsetzung von Arbeitnehmerrechten haben. Einen Effekt sieht er aber schon: "Was sicherlich stimmt, ist, dass die Arbeitgeber, große oder kleine in dieser Branche, immer relativ schnell aufgestiegen sind und sich selber als 'kleine Könige' in ihren Bereichen sehen, die vom eigenen Erfolg berauscht sind und sich deshalb unangreifbar fühlen." Er ist sich sicher, der Mit-Eigentümer und Geschäftsführer von Stylebop habe nicht den leisesten Selbstzweifel, dass das, was er tut, nicht korrekt sein könnte. "Da kann man schon mal durchgreifen, wenn sich da welche zu Wort melden, von denen man glaubt, die bringen Unannehmlichkeiten."

Im Fall Stylebop fand am gestrigen Mittwoch ein Gütetermin mit unterschiedlichen Ergebnissen statt. Einer der beiden Mitarbeiter hat sich widerruflich per Vergleich geeinigt. Der andere nicht, er sagt: "Ich will mich mit der meiner Meinung nach willkürlichen Kündigung und einer äußerst mickrigen Vergleichszahlung nicht zufriedengeben. Es geht langfristig darum, bei Stylebop einen Betriebsrat zu installieren, um die Missstände bei den Arbeitsbedingungen zu korrigieren."

Kommt es nicht doch noch zu einem Vergleich, muss ein Richter entscheiden: Hat der große Luxus-Onlinehändler Stylebop arbeitsrechtlich zu Recht durchgegriffen oder sollte ein unbequemer Mitarbeiter gehen, weil er sich auf legitime Art für bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt hat? (anw)