IEEE-Tagung: 3GPP-Pläne zu LTE im 5-GHz-Band machen WLAN-Industrie nervös

Beim Januar-Treffen der IEEE-Arbeitsgruppen zur Netzwerktechnik brodelte der Koexistenzstreit mit LAA LTE, was aber die Arbeiten an effizienterem WLAN eher beförderte. Ein Verbesserungsvorschlag kam vom Spielehersteller Activision.

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"Wir können als Ingenieure sehr präzise die nächsten fünf Jahre vorhersagen, aber die Gesellschaft benötigt eine Prognose für die nächsten 20 Jahre."

(Bild: IEEE)

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Von
  • Peter Jensen
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Die erste turnusmäßige Tagung des neuen Jahres brachte in der auslaufenden Woche rund 670 Teilnehmer der IEEE-Arbeitsgruppen zur Netzwerktechnik in Atlanta zusammen. Die seitens der Mobilfunkindustrie Anfang Januar während der CES-Messe in Las Vegas bekräftigten Pläne, die LTE-Erweiterung Licensed Assisted Access (LAA LTE) im lizenzfrei nutzbaren 5-GHz-Band parallel zu WLAN zu betreiben, führten erwartungsgemäß zu ausgiebigen Debatten in den Sitzungen der Arbeitsgruppe für spektrale Koexistenz (IEEE 802.19, Wireless Coexistence).

Als LTE-Erweiterung soll LAA mit einer sekundären Funkzelle im 5-GHz-Band den Downstream zum Mobilgerät beschleunigen. Mit Listen Before Talk will man dabei verhindern, dass LAA laufende WLAN-Übertragungen stört. So sollen bestehende Funknetze nicht mehr beeinträchtigt werden, als wenn eine neue WLAN-Basis dazu kommt.

(Bild:  )

Dominiert von Vertretern der WLAN-Industrie schaut die Gruppe mit Argusaugen auf jedes Detail der Pläne des Mobilfunknormengremiums 3GPP. Letzteres hat sich selbst zwar ausdrücklich zu nachbarschaftlich freundlichem Verhalten gegenüber WLAN-Zellen im gleichen Funkkanal verpflichtet. Gleichwohl macht das Vorhaben einiger Hersteller, proprietäre LAA-LTE-Varianten noch vor der Standardisierung durch die 3GPP in den Markt zu drücken, die WLAN-Fraktion ziemlich nervös.

Bei LAA LTE spielt der Chip-Hersteller Qualcomm eine wichtige Rolle: Einerseits schuf er maßgeblich den Entwurf für diese inzwischen als 4.5G vermarktete Mobilfunkentwicklung. Andererseits ist er auch stark in der IEEE-WLAN-Arbeitsgruppe 802.11 und in der Herstellervereinigung Wi-Fi Alliance (WFA) präsent. Qualcomm-Vertretern war zum Konkurrenzverhältnis von LAA LTE und WLAN gleichwohl nichts weiter zu entlocken, als dass der Markt und letztlich die Kunden über den LAA-LTE-Einsatz entscheiden sollen. So sorgte der Vortrag des Qualcomm-Mitarbeiters Dino Flore, der auch Vorsitzender der 3GPP-Arbeitsgruppe zum Funkprotokoll ist, für einen rappelvollen Tagungssaal. Im Nachgang beschloss die Koexistenzgruppe 802.19 einen sogenannten "Liaison Letter" an die 3GPP zu richten, um ihre Wünsche nach und Sorgen um gleichberechtigte Spektrumsnutzung auszudrücken.

Da die europäische Spektrumsregulierung Maßnahmen zur geteilten Nutzung von Funkkanälen vorschreibt, kommt ihren im ETSI-BRAN-Gremium (Broadband Radio Access Network) entwickelten Vorgaben besondere Bedeutung zu: Was in der einschlägigen Europanorm EN 301 893 eingefordert wird, hat unmittelbare Auswirkungen auf alle global verfügbaren 5-GHz-Funksysteme. Folglich waren die Ergebnisse der BRAN-Tagung kurz vor Weihnachten 2014 von großem Interesse für die 802.19-Delegierten. Manche fühlten sich bei einigen Disputen an längst vergessene Kontroversen zwischen dem kommerziell erfolglosen WLAN-Konkurrenten HiperLAN/2 und IEEE 802.11 erinnert.

Das für den Einsatz außerhalb von Gebäuden und bei hohen Geschwindigkeiten ausgelegte LTE setzt seit jeher auf eine robustere Struktur der OFDM-Funksymbole als bei WLAN üblich. So will nun die Arbeitsgruppe für effizienteres WLAN (IEEE 802.11ax) nachziehen und schiebt eine Vervierfachung der bisherigen OFDM-Funksymbollänge von 4 auf 16 µs an, um WLAN fitter für den Außeneinsatz zu machen. Mit weiteren Änderungen bringt der Schritt rund 30 % Effizienzgewinn bei größeren Datenpaketen, das Verhältnis von Nettodurchsatz auf Anwendungsebene zu Bruttodurchsatz auf dem Funkkanal verbessert sich. Dem steht natürlich auch ein Nachteil gegenüber: Die Granularität wird schlechter, was die Effizienz bei kleinen Datenpaketen senkt.

Bei einer Messkampagne im Mai 2014 stellte sich heraus, dass in verschiedenen Umgebungen -- wie hier auf dem Campus der Colorado University in Boulder -- kleine WLAN-Datenpakete die Kanalnutzung dominieren.

(Bild: Jim Lansford, CSR )

Gerade das widerspricht aber der Erfahrung, dass statistisch gesehen heutzutage kleine Datenpakete den Großteil des WLAN-Verkehrs ausmachen. Ob das allseits vorgeschlagene OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access) allein ausreichen wird, diesen Nachteil auszugleichen, steht noch zu beweisen. Dass OFDMA ein wesentlicher Bestandteil von 802.11ax werden wird, bezweifelt jedoch keiner mehr. Der dezentrale, unkoordinierte Kanalzugriff im WLAN macht die praktische Umsetzung des OFDMA-Grundprinzips der Aufteilung des Datenverkehrs für mehrere Empfänger auf verschiedene Unterträger und Symbole jedoch schwierig.

Wohlwollend wurde eine überraschende Eingabe zur Ergänzung der Verkehrsmodelle aufgenommen, mit denen die Delegierten ihre Vorschläge für 802.11ax simulieren sollen. Sie geht auf den Spielehersteller Activision zurück und soll den von online gespielten First Person Shootern generierten Datenverkehr widerspiegeln. Die bisher gezeigten Simulationsergebnisse demonstrieren indes, dass es den beteiligten Firmen schon jetzt nicht leicht fällt, übereinstimmende Simulationsergebnisse für die aktuell schnellste Gigabit-WLAN-Variante IEEE 802.11ac zu erzielen. Wie so oft stellen sich unterschiedliche Annahmen und Details als wichtig heraus, die auf die reine Interoperabilität keinen Einfluss haben und in der Norm folglich nicht festgeschrieben sind. Schrittweise gleichen die beteiligten Firmen daher ihre Simulationsdetails an, um künftig zu besserer Übereinstimmung zu kommen.

Während sich das High Efficiency WLAN noch in einer sehr frühen Phase befindet, haben es dieses Mal insgesamt vier Arbeitsgruppen geschafft, einen weiteren Entwurf ihrer Normenergänzung zur Abstimmung zu stellen. Bis zur Tagung im März in Berlin müssen die Delegierten in den kommenden Wochen daher über den Stand von 802.11ah (WLAN im Funkspektrum unterhalb von 1 GHz), 802.11ai (beschleunigte Client-Anmeldung im WLAN), 802.11aq (Veröffentlichung von verfügbaren Diensten) und 802.11mc (Zusammenfassung aller aufgelaufenen Ergänzungen als 802.11-2016) entscheiden.

Bei der letzten IEEE-Turnustagung im November hatten Wünsche nach Strukturierung des bisher unregulierten Locally Administered Address Space in der MAC-Schicht noch zu heftigen Kontroversen geführt. Diese Strukturierung sei für kollisionsfreien Einsatz zufällig gewählter MAC-Adressen nötig, die wieder für mehr Privatsphäre im Netz sorgen sollen. Inzwischen hat sich die Debatte beruhigt und es ist abzusehen, dass das Projekt 802c eine eigenständige Arbeitsgruppe werden wird. Weil ein Versuch mit zufälliger Adresswahl im Testnetz der letzten IETF-Tagung erfolgreich verlief, will man ihn wiederholen, um mehr Erfahrung zu gewinnen. So wird der Test auch bei der nächsten IEEE-Sitzung im März laufen – zu der der US-Geheimdienst NSA ebenfalls wieder Vertreter entsenden wird. (ea)