Google Earth vergisst nicht

Fabio Di Bitonto sucht mit dem Web-Dienst nach sogenannten „lost places“. Daraus könnten interessante Möglichkeiten erwachsen.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Fabio Di Bitonto sucht mit dem Web-Dienst nach sogenannten „lost places“. Daraus könnten interessante Möglichkeiten erwachsen.

Fotografen suchen in Städten nicht immer nach den Hauptattraktionen. Einige haben sich auf das genaue Gegenteil spezialisiert: die wenig bekannten Ecken. Sie suchen gezielt nach verlassenen Orten und setzen das Zerbrochene, Überwucherte und Verlassene in Szene.

Auch Fabio Di Bitonto ist Hobby-Fotograf, aber ihn interessiert nicht nur die visuelle Wirkung von verlassenen Orten. Genauso faszinierend findet er ihre Geschichte, allen voran die Gründe, weshalb sie aufgegeben wurden. Ob wirtschaftlicher Niedergang oder eine Epidemie, er dokumentiert sie auf seiner Webseite „Paesi fantasma“ (auf Deutsch: Geisterstädte). Oft findet er sie über Google Earth.

Während etwa die Webseite „lost-places.com“ ihre Identität verschleiert – um nicht „Vandalismus und Diebstahl“ Vorschub zu leisten, die mit der erhöhten Aufmerksamkeit wohl leider einhergehen – versieht Di Bitonto seine Schätze mit Anfahrtsbeschreibungen. Ihm geht es darum, an diese Orte zu erinnern und sie bewusst wiederzuentdecken.

Und hierin liegt ein Dilemma der modernen GPS-Welt: Ist die Technik schuld, dass vergessene Orte überlaufen und in Mitleidenschaft gezogen werden – ähnlich wie abgelegene, schöne Ecken von Nationalparks, wo Touristen meinen, ein Andenken aus dem Fels herausbrechen zu müssen? Oder ein unvermeidbarer Nachteil, weil immer noch Menschen die Entscheidung treffen, etwas kaputtzumachen?

So sehr ich die Vorsicht der Betreiber der Lost-Places-Webseite verstehe, ich finde, dass Di Bitontos Ansatz auch eine Chance birgt. Gemeinden könnten die Faszination an solchen Orten nutzen, um zum Beispiel Touren anzubieten. Sie könnten interessante Forschungsprojekte für Bevölkerungsgeografie und Städteentwicklung bieten. In manchen Fällen finden sich vielleicht auch Interessenten, die sich zum Renovieren und Neubesiedeln bereit sind.

Ob es dann gleich ein Fünf-Sterne-Ressort werden muss, das der Reiseveranstalter TUI durch eine Investition von rund 250 Millionen Euro aus dem mittelalterlichen Dorf Castelfalfi in der Region Chianti geschaffen hat? Könnte man einerseits fragen. Andererseits würde der Ort sonst weiter vor sich hin verfallen. (vsz)