Weltwirtschaftsforum: Schwächung von Verschlüsselung hilft den "Bad Guys"

Cameron, Obama, de Maizière: Nach den Pariser Anschlägen fordern immer mehr Politiker ein Aufweichen von Verschlüsselungstechnologien. Doch beim gestern in Davos zu Ende gegangenen Weltwirtschaftsforum regte sich auch Widerspruch.

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Weltwirtschaftsforum: Schwächung von Verschlüsselung hiflt den "Bad Guys"
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Von
  • Monika Ermert

Beim gestern in Davos zu Ende gegangenen Weltwirtschaftsforum kritisierte Jean-Marie Guéhenno, CEO der International Crisis Group, eine mögliche Schwächung von Verschlüsselungstechnologie. „Wenn wir sagen, wir brauchen Zugang (zu den Schlüsseln), bedeutet das, dass auch die "Bad Guys" Zugang bekommen“, so der ehemalige französische Politiker und UN-Beamte. Das gelte auch für das gezielte Platzieren von Backdoors. Guéhenno widersprach damit dem Chef des Britischen MI6, John Sawers, der von "populistischen Reaktionen" der Technologieunternehmen auf die Snowden-Enthüllungen und von einer falsch verstandenen Datenschutz-Prärogative sprach.

Sawers warnte ohne die britischen Kryptovorschläge direkt anzusprechen vor No-Go-Areas im Netz. Wenn man einen geschlossenen Bereich im Netz schaffe, könne das zwar für den eigenen Schutz sein. „Aber man schafft damit auch das perfekte Umfeld für Kriminelle, die da ihr Unwesen treiben können“, sagte Sawers.

Die Technologieunternehmen sieht der britische Spionageboss in der Pflicht bei der Gefahrenabwehr. Die Ermordung eines Soldaten im Vereinigten Königreich hätte möglicherweise verhindert werden können, wären deren Posts auf Facebook beobachtet worden, sagte Sawers. Den Vertretern eines strikten Datenschutzregimes warf er vor, sie sähen Sicherheit offensichtlich als Selbstverständlichkeit. Die Geheimdienste jedenfalls seien am besten beim Schutz der ihnen anvertrauten Daten – viel besser als private Unternehmen.

Der Brite pochte gleichzeitig darauf, dass die Aufsicht über die britischen Dienste gut sei. Richter überwachten die rechtliche Zulässigkeit von Aufklärung und Abhöraktionen, das Parlament die Effektivität der Arbeit. Die Zeiten, in denen die Agencies hinter verschlossenen Türen arbeiteten, seien überdies vorbei, Vertrauen für die Arbeit müsse auch durch öffentliche Auftritte geschaffen werden. Doch auch hier war Sawers hochzufrieden: Eine Umfrage habe ergeben, dass das Vertrauen der britischen Bürger in die Geheimdienste höher sei als das Vertrauen in andere Organisationen. „Das Vertrauen in NGOs lag knapp über 50 Prozent, dass in die Dienste bei 70,“ sagte Sawers. Das sei auch der robusten Aufsicht zu verdanken.

Sein Kollege Kjell Grandhagen, Chef des Norwegischen Geheimdiensts stimmte Sawers weitgehend zu und widersprach für seinen Dienst Befürchtungen aus dem Publikum, dass die Grenzen zwischen Geheimdienst und Strafverfolgung mehr und mehr verschwimmen. Grandhagen nannte überdies die Reaktionen auf die Snowden Enthüllungen "übertrieben". Grandhagen anerkannte aber, auf die massive Datensammlung könnten die Agencies nicht mehr verzichten, weil sie Bedrohungen aufzuklären und zu verhindern hätten, die sie noch nicht kennen würden.

Er bestätigte die massive Verschiebung in Richtung Signal Intelligence, Network Intelligence und Analytics. Die Aufsicht sei sicherlich eine der Möglichkeiten, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, "wenn wir Dinge machen, die die Vertraulichkeit verletzen. Oder die als Verletzung der Vertraulichkeit aufgefasst werden", so der norwegische Geheimdienstchef.

Auch zur Aufsichtsfrage meldete Guéhenno Widerspruch an. "Wir haben noch viel Nachholbedarf bei einer effektiven Aufsicht über die Geheimdienste", sagte er, unter Verweis auf die massiv ausgebauten technischen Möglichkeiten. "Der Heuhaufen ist heute wesentlich interessanter geworden", versicherte Grandhagen. Er verstehe die Sorgen der Bevölkerung. "Ich bin selbst besorgt." Trotzdem hielt er die Big Data Analyse auch als notwendiges Mittel zur strategischen Aufklärung von Trends in aller Welt – dabei sollte allerdings auch mit internationalen Organisationen, etwa der UN zusammengearbeitet werden. (keh)