TR35: Touchscreen denkt mit

Christian Holz arbeitet an einem Bildschirm, der jeden Nutzer erkennt.

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Von
  • Steffan Heuer

Christian Holz arbeitet an einem Bildschirm, der jeden Nutzer erkennt.

Von künstlichen Organen bis zu betankbaren Akkus: Zum zweiten Mal kürt Technology Review die innovativsten Köpfe unter 35. Die 10 Gewinner zeigen, was die Zukunft bringen wird.

Wenn es nach Christian Holz geht, werden Passwörter in ein paar Jahren der Vergangenheit angehören. In naher Zukunft, glaubt der aus Weimar stammende Computerwissenschaftler, werden Touchscreens vom Wand-Display bis zum Smartphone nicht nur hochauflösende Bilder anzeigen, sondern gleichzeitig jeden einzelnen Nutzer am Fingerabdruck identifizieren. Unberechtigten wäre der Zugriff auf fremde Daten verwehrt.

So könnte der Schalterbeamte in einer Bank zwar eine Zahlungsanweisung öffnen, aber nur der Abteilungsleiter sie mit einem Fingerzeig genehmigen. Ein Team könnte vertrauliche Dokumente auf ihren Tablets editieren, doch sobald ein Fremder durch den Text scrollen oder ihn weiterleiten wollte, würde sich die Datei wie von Geisterhand schließen.

Die Umsetzung klingt einfach, ist aber in Wahrheit die Quadratur eines Kreises. Um ein Bild zu erzeugen, streuen Displays das Licht. Deshalb können wir das Bild auf Smartphones oder Tablets auch aus schrägen Winkeln erkennen. Um jedoch einen Fingerabdruck zu erkennen, ist das genaue Gegenteil nötig: Eine Oberfläche, die das Licht wie bei einem Scanner in eine ganz bestimmte Richtung lenkt. Beides zu vereinen, ohne Abstriche bei Lesbarkeit, Identifizierung und Reaktionsgeschwindigkeit zu machen, galt bislang als unmöglich. Deshalb ist beispielsweise Apples Touch ID im Home-Button untergebracht.

Holz zeigte nun erstmals, dass es doch möglich ist. Entwickelt hat er das System namens Fiberio im Zuge seiner Dissertation am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. In nur einer Fünfzigstelsekunde kann der biometrische Touchscreen den Fingerabdruck einer Person zuordnen.

Holz löste das Dilemma auf elegante wie einfache Weise. Seine Erfindung besteht aus einer drei Millimeter dicken Oberfläche, die von 40 Millionen winzigen Glasfasersträngen durchzogen ist. Sie erlauben es, Bilder mit einer Auflösung von 4233 dpi gestochen scharf darzustellen, sodass sie auch von der Seite noch gut zu erkennen sind.

Gleichzeitig reflektiert die Oberfläche genug Lichtstrahlen, damit eine unterhalb der Platte angebrachte Kamera erkennen kann, wo sich ein Finger befindet und wie sein Abdruck aussieht. Die Verarbeitung der sogenannten "Minutiae", also jener Punkte, an denen sich die Rillenmuster eines Fingers aufteilen oder enden, erfolgt direkt in der Grafikkarte des Touchscreens. Was auf bisherigen Systemen zwei bis drei Sekunden dauert, schafft Fiberio in 21 Millisekunden. Damit sind Fingerabdrücke erstmalig interaktiv und ermöglichen eine Sofort-Entscheidung, ob Person X Zugriffsrechte auf die gerade angezeigte Datei hat. Für dieses Konzept hat Holz ein Patent beantragt, das aber noch nicht erteilt ist.

Die Technologie wird ganz neue Formen der Zusammenarbeit an den Geräten ermöglichen, erwartet der Wissenschaftler. Der Fingerabdruck ließe sich etwa verwenden, um für jede App oder jedes Dokument gesonderte Zugriffsrechte zu vergeben. Seit September 2013 denkt der 29-Jährige in den Yahoo Labs in Kalifornien darüber nach, wie seine Vision in kommerziell tragfähige Produkte umgesetzt werden kann. Fiberio muss dazu vor allem schrumpfen. Der derzeitige Prototyp ist tischgroß und weit von einem tragbaren Display entfernt. Dennoch ist sich Holz sicher: "In fünf bis zehn Jahren werden biometrische Touchscreens in tragbaren Geräten verbaut sein."

(bsc)