Strategien gegen "Little Brother"

Dass NSA, GCHQ und Co uns ausspähen, daran haben wir uns gewöhnt. Aber kann man die "kleinen Brüder" Google, Facebook und Co. nicht mal an die Leine legen?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 8 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Dass NSA, GCHQ und Co uns ausspähen, daran haben wir uns gewöhnt. Aber kann man die "kleinen Brüder" Google, Facebook und Co. nicht mal an die Leine legen?

Zumindest, haben sich die Grünen im Bundestag gedacht, kann man ja mal drüber reden. Und tatsächlich kommt was dabei raus: "Im Cyberspace würden die Eigentumsrechte an Daten teils verteilt wie Land und Ölfelder im Wilden Westen, meinte Christian Ewald, Chefökonom des Bundeskartellamts". Das berichten die Kollegen vom Newsticker. Und weiter: Wenn sich Netzkonzerne in immer weitere Märkte krakenhaft ausdehnen, sei auch "ein gewisses Potenzial des Missbrauchs von Monopolstellungen nicht zu leugnen" - sagt der Mann vom Bundeskartellamt. So ganz und gar kann sich offenbar auch das Kartellamt nicht der Erkenntnis entziehen, dass da was schief läuft im Online-Wunderland. Aber eingreifen will er auch nicht. Weil: man will das Internet-Wirtschaftswunder ja nicht durch zu viel Regulierung abwürgen.

Was also kann man tun? Seit einiger Zeit geistert ein Konzept durch die Diskussion, mit dem aus der Not eine Tugend gemacht wird: Die eigenen Daten offensiv zu Geld machen. Klingt nicht schlecht, hat aber zwei Nachteile: Man kriegt nicht viel Geld. Und man macht sich noch nackter, als ohnehin schon.

Ausgerechnet von Microsoft, die zumindest früher von Netzaktivisten und Datenschützern ganz eindeutig zum Reich des Bösen gezählt wurden, kommt jetzt ein neuer, interessanter Vorschlag. Eric Horvitz, einer der Maschinenlern-Granden von Microsoft Research nennt das Konzept: "Stochastic Privacy". Für alle, die - wie ich auch - nicht ganz so bibelfest in Mathematik sind: Stochastik ist der Oberbegriff für Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. Stochastic Privacy ist genau das: Datenschutz mit eingebauter Unsicherheit.

Kein Witz: Ich als Kunde unterschreibe, dass zum Beispiel meine Positionsdaten mit einer Wahrscheinlichkeit von - sagen wir - 1:100 geloggt und ausgewertet werden. Einer von 100 wird ausgespäht. Muss ja nicht ich sein. Eine Art Glücksspiel mit der Privatsphäre. Für die Unterschrift kriege ich, wie bisher, kostenlose, personalisierte Software. Die aus Werbeeinnahmen mit personalisierter Werbung bezahlt werden. Horvitz und Kollegen haben gezeigt, dass sowas tatsächlich funktioniert. Wer es wirklich genau wissen will, kann die Details in einem Paper nachlesen.

Bleibt nur eine klitzekleine Frage offen: Wer zum Teufel versteht, welches Risiko für die Privatsphäre damit verbunden ist, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass meine Daten weitergegeben werden, 1:3650 beträgt? Sie verstehen schon, was ich meine.

"Würden Sie lieber in einer Welt leben, in der die Herausforderung darin besteht, diese Dinge besser zu erklären", sagte Horvitz den Kollegen vom IEEE Spectrum, "oder in einer Welt, in der Konzerne alles verschlingen?". Gutes Argument. Aber irgendwie beschleicht mich doch ein ungutes Gefühl. Muss daran liegen, dass ich mir leicht vorstellen kann, wie Zwischenhändler mit Daten handeln, deren Risiko falsch eingeschätzt wird. So ungefähr wie bei der Immobilienkrise. Wie die ausgegangen ist, wissen wir alle. (wst)