NSA-Skandal: EU-Parlamentarierer unzufrieden mit Antwort der EU auf Überwachung

Im EU-Parlament wurde am Dienstag Kritik daran laut, dass die EU-Institutionen bisher nicht wie empfohlen auf die Schnüffelei von NSA, GCHQ und anderen Geheimdiensten reagiert haben.

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NSA-Skandal: EU-Parlamentarierer unzufrieden mit Antwort der EU auf Überwachung
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Von
  • Monika Ermert

Knapp zwölf Monate nach dem Untersuchungsbericht des Europäischen Parlaments zu den Umtrieben von NSA, GCHQ und weiterer Geheimdienste zogen die Abgeordneten im Innenausschuss am Dienstagabend ein ernüchterndes Fazit. Keine einzige Empfehlung des EU-Parlaments sei umgesetzt worden. Die Liste der aufgedeckten staatlichen Hacks und Verletzungen der Grundrechte, die Claude Moraes (S&D) in seinem Bericht aufführt, sei nur noch länger geworden.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die vor einiger Zeit vom Parlament vorgelegte Datenschutzgrundverordnung sei von den Mitgliedsstaaten im Rat auf die lange Bank geschoben worden, hieß es. Die verschiedenen Datentransfers-Abkommen mit den USA, darunter das Terrorist Finance Tracking Programm zur kaum kontrollierten Weitergabe von Bankdaten und die Weitergabe von Flugpassagierdaten, seien nicht ausgesetzt worden. Auch das geforderte umfassende EU-US-Abkommen zum Datenschutz, das die Kommission aushandeln sollte, gebe es nach wie vor nicht. Stattdessen übten die Unterhändler der Kommission erneut den Schulterschluss mit den USA bei Freihandelsverhandlungen, kritisierte die portugiesische Abgeordente Ana Gomes (S&D).

Als Gipfel der Absurdität bezeichnete Jan Philip Albrecht von den Grünen aber die Tatsache, dass die EU-Institutionen selbst keinen einzigen Schritt weiter gekommen dabei, ihre Systeme gegen die Ausspähung durch NSA und GCHQ abzusichern. Ihn erreichten mittlerweile Anfragen vom Chef eines Geheimdienstes, warum die EU so schlecht davor geschützt sei, ausgespäht zu werden. Keine der bekannten "Hintertüren" sei im Jahr seit dem Beschluss des Parlaments geschlossen worden. "Wenn wir das nicht hinbekommen, haben wir wirklich ein Problem", meinte Albrecht.

Das Parlament hatte den IT-Experten der EU unter anderem aufgetragen, die IT-Systeme und deren Schwachstellen zu prüfen, Verträge mit Herstellern zu überdenken und Pläne für den Einsatz von Open Source zu entwickeln beziehungsweise für Transparenz "vom Prozessordesign bis hinauf zum Application Layer" zu sorgen. Auch sollte die Kommunikation rundum besser abgesichert werden, beispielsweise durch den Einsatz von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mittels GnuPG.

Bislang habe die zuständige Generaldirektion Innovation and Technological Support (DG ITEC) lediglich einen ersten Zwischenbericht zu möglichen Schritten für die Absicherung der Systeme geliefert, schreibt Moraes. Eigens erwähnt hat er in seinem Bericht den fortbestehenden Vertrag der Europäischen Zentralbank mit Verizon, das im Verdacht steht, an den Ausspähaktionen beteiligt zu sein.

Nicht hinnehmbar nannten die Abgeordneten in Brüssel schließlich den Angriff auf den Chipkartenhersteller Gemalto durch die NSA sowie durch den Geheimdienst des EU-Mitglieds Großbritannien. "Das ist ein Angriff auf die Europäische Gemeinschaft. Das ist Cyberkrieg", wetterte Albrecht und rief die Mitgliedsstaaten dazu auf, Bürger und Unternehmen so schnell wie möglich vor solchen Attacken zu schützen.

Schlicht kriminell nannte die Abgeordnete Sophie In't Veld (ALDE) das Vorgehen der GCHQ. Wenn der Geheimdienst sage, seine Aktionen stünden im Einklang mit dem Recht, "meinen sie wohl das Gesetz des Dschungels". Sie forderte eine sofortige neue Anhörungen und dafür den britischen Dienst vorzuladen. Der hatte bisher ebenso wie auch der BND bei früherer Gelegenheit einfach abgelehnt, in Brüssel auszusagen.

In't Veld kündigte an, dass der Datenklau bei der niederländischen Gemalto Konsequenzen bei der Zusammenarbeit der Mitgliedsländer haben werde. In einer Sitzung im niederländischen Parlament habe der Innenminister angekündigt, dass die Zusammenarbeit der Dienste des Landes mit den Briten beendet werde, wenn sich die Informationen zur Verwicklung des GCHQ bestätigten.

In't Velds Vorschlag für eine sofortige Anhörung mochte Berichterstatter Moraes gestern allerdings nicht folgen. Er will zuvor einen Besuch in Washington abwarten. Spätestens im Mai soll im Plenum des Parlaments dann eine neue Entschließung verabschiedet werden. (anw)