Die Plagiatskandale um Guttenberg und Schavan jähren sich: Wissenschaft räumt auf – Baustellen bleiben

Die Plagiatskandale diverser Polit-Promis schockierten auch die Wissenschaft. Zwar heißt es, Schummelei bei Doktorarbeiten sei kein grundsätzliches Problem – gleichwohl geloben Hochschulen und Forscher Besserung. Aber es gibt weiterhin wunde Punkte.

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Nach Plagiatskandalen umd Guttenberg und Schavan: Wissenschaft räumt auf – Baustellen bleiben

(Bild: Montage aus zwei dpa-Bildern)

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Von
  • Werner Herpell
  • dpa

Jedes Jahr im Februar und März muss sich die deutsche Wissenschaft an einige ihrer schwärzesten Wochen erinnern. Dann jähren sich der Rücktritt des CSU-Jungstars Karl-Theodor zu Guttenberg vom Amt des Verteidigungsministers (1. März 2011) und der Abgang von CDU-Bundesbildungsministerin Annette Schavan (9. Februar 2013). Beide stürzten über den Verlust ihrer Doktortitel nach hochnotpeinlichen Plagiataffären, die in der Öffentlichkeit massive Zweifel am Wert wissenschaftlicher Arbeit hinterließen.

Universitäten und Forschung versuchen seither, die Fahne der "guten wissenschaftlichen Praxis" hochzuhalten – mit mehr Betreuung von Doktoranden, klareren Promotionsregeln und dem verstärkten Einsatz von Uni-Ombudsleuten für Plagiat-Verdachtsfälle. Doch es gibt noch Baustellen: etwa das unklare Verhältnis zu Online-Plattformen wie VroniPlag und GuttenPlag Wiki – treibende Kräfte in den Affären Guttenberg und Schavan – oder das Problem der massenhaften Medizin-Doktorarbeiten, die höheren Maßstäben nicht genügen.

Auf die Selbstreinigungskräfte des Systems setzt Schavans direkte Nachfolgerin im Bildungsministerium, Johanna Wanka (CDU). "Es besteht Einigkeit, dass dem Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten (...) einschließlich Promotionsphase eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss", so ihre Vorgabe.

Die Mathematikprofessorin Wanka brachte zu Beginn ihrer Amtszeit 2013 eine Verjährungsfrist für Plagiate ins Gespräch – auch aus wissenschaftsethischen Gründen ein äußerst kompliziertes Feld. "Ich halte die Verjährungsidee für einen wissenschaftspolitischen Fehler", sagt beispielsweise der SPD-Bildungsexperte im Bundestag, Ernst Dieter Rossmann. "Wer Wissenschaft und Öffentlichkeit auch vor vielen Jahren in die Irre geführt hat, darf nicht 'belohnt' werden, wenn der Betrug nur lang genug nicht auffällt."

Klare Worte erwartet Wanka bald vom Beratergremium der Regierung, dem Wissenschaftsrat. Dessen Präsident Manfred Prenzel will im Frühjahr eine breit angelegte Bewertung abgeben. Andere Schwergewichte wie Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sehen sich schon auf einem guten Weg – und das, so wird betont, nicht erst seit den Plagiat-Schocks aus der Politik.

Beide verweisen auf Veranstaltungen zur sauberen wissenschaftlichen Arbeit und auf ähnlich lautende Empfehlungen. Die intensive Debatte sei "noch keineswegs abgeschlossen", meinte HRK-Präsident Horst Hippler. Die DFG will laut Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek mit guter Doktoranden-Betreuung verhindern, "dass der wissenschaftliche Nachwuchs alleingelassen wird". Hippler betont, "dass die Arbeiten heute durchgehend auch elektronisch abgegeben werden müssen, damit sie mit einer Plagiatsoftware überprüft werden können".

Mit Enthüllungsplattformen haben die Hochschulen nach Hipplers Worten zwar eigentlich keine Berührungsängste: "Wir haben uns mit deren Vertretern auch ausgetauscht, als wir unsere Empfehlungen zum Thema vorbereitet haben." Zugleich begibt sich der HRK-Präsident auf Distanz: "Den Hochschulen geht es beim Thema Plagiate – wohl im Gegensatz zu den Plattformen – nicht um die Prominenz von Promovierenden." Es sei für die große Mehrheit der Redlichen "fatal, wenn alle unter Generalverdacht gestellt werden".

Auch die DFG-Generalsekretärin tut sich mit den Online-Plagiatjägern schwer: "Wir arbeiten so nicht. Uns geht es um die gute alte Tradition des wissenschaftlichen Diskurses." Daher verteidigt Dzwonnek vehement, dass die DFG 2013 akademischen "Whistleblowern" untersagte, einen Plagiatverdacht rasch öffentlich zu machen, statt darüber erst einmal nur Ombudsleute der Hochschulen zu informieren. Eine Protest-Petition des Wissenschaftlers Stefan Heßbrüggen gegen die rigide Haltung der DFG fand schnell fast 2500 Unterstützer.

Konfliktstoff birgt auch die Promotionspraxis für Mediziner. Von ihnen verlassen 70 Prozent die Uni mit einem Doktortitel. Laut Hippler handelt es sich überwiegend um "studienbegleitende Doktorarbeiten, die nicht dem Standard der Arbeiten in anderen wissenschaftlichen Fächern entsprechen". Er sei dafür, den Doktorgrad in der Medizin nur für solche Dissertationen zu verleihen, "die eine eigenständige Forschungsleistung darstellen". Das wäre allerdings eine echte Hochschul-Revolution – da wohl nur für Ärzte der Doktortitel noch wichtiger ist als für Politiker. (anw)